Die Verschärfung der allgemeinen Sicherheitslage hat zuletzt wieder ein Thema besonders in den Fokus geholt: Wie ist es eigentlich um die Sicherheit von Events und Veranstaltungen bestellt? Messe & Event hat dazu bei Branchenexperten nachgefragt. Wie ernst wird das Thema in Österreich genommen? Welche besonderen Herausforderungen ergeben sich rund um die Sicherheitsthematik von Events? Mit welchen Strategien lassen sich die Risiken vermindern?

Das Thema brennt Eventmachern unter den Nägeln wie kaum ein anderes. Wie lassen sich Veranstaltungen wirkungsvoll absichern, wie Risiken für Besucher und Veranstalter minimieren? Diesen Fragen ist die Technische Universität Chemnitz im Auftrag des Research Institute for Exhibition and Live-Communication R.I.F.E.L. e.V. auf den Grund gegangen. Eine Studie sollte ergründen, wie gut die Branche ­Integrated Brand Experiences für den Ernstfall vorbereitet ist. Nun liegt der Trendbericht Veranstaltungssicherheit vor.

Sicherheitsbedürfnis steigt

Darin zeigt sich eines ganz deutlich: Das Sicherheitsbedürfnis auf Großveranstaltungen hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Ursächlich dafür sind vor allem terroristische Anschläge der jüngeren Vergangenheit. Außerdem präsentiert sich das Thema außerordentlich komplex, denn Veranstaltungssicherheit hat vielfältige Ausprägungen. Hier listet der Trend­bericht neben externen Bedrohungen (z. B. Wetter und Anschläge) auch grundlegende interne Bedrohungen (z. B. Veranstaltungstechnik und Brandschutz) auf, die zunehmend in das Bewusstsein der Eventmacher gelangen. Es liegt auf der Hand, dass ein zuverlässiges Risiko­management zukünftig noch stärker in den Fokus rücken muss. Für die Autoren des Trendberichts ist die Analyse möglicher Schadensszenarien und die Bestimmung von deren Eintrittswahrscheinlichkeiten der Ausgangspunkt solider Sicherheitskonzepte.

Topthema für Eventprofis

Auch in Österreich ist man sich der Wichtigkeit des Themas beswusst. Erik Kastner, der neue WKO-Sprecher für die Eventbranche (Eventnet.Austria), hat die Sicherheit von Veranstaltungen deshalb auch ganz oben auf seiner Agenda angesiedelt. „Die Bedeutung von Sicherheitsaspekten im Rahmen von Veranstaltungen hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert“, sagt Kastner. „Um diesen Veränderungen Rechnung zu tragen und entsprechend ein Bewusstsein für diesen sensiblen Bereich im Veranstaltungs­wesen zu schaffen, hat die Wirtschaftskammer diese Initiative ins Leben gerufen. Vorreiter war und ist nach wie vor Mag. Dr. Klaus Vögl, Geschäftsführer der Fachgruppe der Sport- und Freizeitbetriebe der Wirtschaftskammer Wien.“ Erfreulich ist in diesem Zusammenhang, dass die heimischen Eventprofis der Eventsicherheit seit jeher große Wichtigkeit einräumen. Allerdings sind in den letzten Jahren zunehmend neue Herausforderungen in der Praxis aufgetaucht. „Veranstalter haben sich immer schon mit den Aspekten der Sicherheit bei Veranstaltungen auseinandersetzen müssen. Die Veränderung und leider auch die Erweiterung der Gefahren hat jedoch eine Entwicklung in Gang gesetzt, um entsprechende Gegenmaßnahmen und Sicherheitserweiterungen zu entwickeln. Österreich ist in dem Bereich der Sicherheit immer noch eine ,Insel der Seligen‘.“ Mit einer speziellen Buchreihe widmen sich die Experten der WKO bereits seit geraumer Zeit allen Fragen rund um das komplexe Themenfeld der Eventsicherheit. Demnächst erscheint der dritte Band der auf insgesamt fünf Teile angelegten Serie „Veranstaltungssicherheit – Von der Praxis für die ­Praxis“. „Alle Erweiterungen und neuen Erkenntnisse sowie natürlich die gesamten Grundlagen der Eventsicherheit können in dieser Buchreihe nachgelesen werden“, sagt Erik Kastner. „Wichtig dabei ist, dass hier Praktiker zu Wort kommen, die sozusagen am Puls des Events arbeiten und wirken. Dafür ein großer Dank an alle Co-Autoren für den fachlichen Input!“

Menschenmengen managen

Im Ernstfall geht es bei Veranstaltungen vor allem darum, zumeist große Menschenmengen ruhig und sicher aus dem Gefahrenbereich zu leiten. Crowd Management nennt man das im Branchenenglisch. In Österreich beschäftigt sich Martin Bardy als Experte seit geraumer Zeit mit dem ­professionellen Handling von Besucherströmen. Bardy erklärt: „Crowd Management ist ein präventiver Planungsansatz, der die psychologischen und physiologischen Bedürfnisse der Gäste sowie typisch menschliches Verhalten berücksichtigt und in Einklang mit der Raum- und Maßnahmenplanung bringt. Übergeordnete Ziele sind die Aufrechterhaltung von Personenströmen, die Vermeidung von kritischen Personendichten in statischen und dynamischen Arealen, die richtige Informationsübermittlung an Besucher und die notwendigen Maßnahmen für risikobehaftete Besucherflächen während der Veranstaltungsphasen Einlass, Zirkulation und Abstrom. Der Abstrom wird für den Normal- sowie für den Notfall berücksichtigt. Crowd Management liegt damit am Schnittpunkt von quantitativen Berechnungen und psychologischen Einflussparametern mit dem Ziel, die Besuchersicherheit und -zufriedenheit zu erhöhen. Das dies­bezügliche Wissen ist sowohl für die proaktive Sicherheitskonzeption als auch für die reaktive Notfallplanung, etwa durch Evakuierungsplanung, von großer Bedeutung.“

Vorhersehbares Risiko minimieren

Wo viele Menschen zusammenkommen, ist das Risiko naturgemäß höher. Wie wichtig ist ein entsprechender Notfallplan in der Eventpraxis? Martin Bardy: „Wenn Sie in ein Auto einsteigen, legen Sie den Sicherheitsgurt an, damit Sie im Fall der Fälle besser geschützt sind. Ebenso verhält es sich mit der Notfallplanung für Veranstaltungen. Diese werden erstellt, damit im Fall der Fälle Sach- oder Personenschäden von Besuchern und Mitarbeitern abgewendet werden können. Von daher: Ein Notfallplan für eine Veranstaltung kann Menschenleben retten und ist sehr wichtig.“ Allerdings ist ein ­solcher Plan laut Bardy in Österreich noch nicht zwingend vorgeschrieben. „Das Wort ,Notfallplan‘ finden Sie in keinem der neun Veranstaltungsgesetze. Es gibt jedoch andere Formulierungen wie z. B., dass alle Gäste rechtzeitig zum Verlassen der Veranstaltungsstätte aufgefordert werden müssen – das heißt eine Räumungs- oder Evakuierungs­planung, welche ja Bestandteil der Notfallplanung ist. Das ist jedoch nur ein Plan von vielen. Prinzipiell gibt es die szenario­abhängige und die szenario­unabhängige Notfallplanung. Bei der szenarioabhängigen bereitet man sich, wie der Name schon sagt, auf bestimmte Szenarien vor. Was mache ich etwa bei extremen Wetterereignissen, bei hohem Druck vor der Bühne oder bei Ausfall von wichtiger Besucherinfrastruktur? Die szenario­unabhängige Maßnahmenplanung ist ­eigentlich die Konsequenz aus einem Szenario, so zum Beispiel die Räumung oder Evakuierung, aber auch ein Show-Stop-Prozedere. Ein guter Notfallplan sollte beide Varianten beinhalten. Das Vorhandensein einer adäquaten Notfallplanung hängt stark von der Sicherheitskultur und der Awareness des Veranstalters ab. Ob wirklich alle Veranstalter mit Notfallplänen arbeiten, wage ich jedoch zu bezweifeln.“ Die besondere Herausforderung in der Praxis liegt vor allem darin, Szenarien vorherzusehen, die im Real­betrieb hoffentlich niemals eintreten werden. Ein vollständiges Ausschließen sämtlicher Risiken ist in der Praxis de facto unmöglich.

„Ein Ereignis, das nicht vorhersehbar ist und somit alle Beteiligten absolut unvorbereitet trifft, ein sogenannter ,Black Swan‘, ist nicht zu verhindern. Das ist aber auch nicht die Aufgabe der Sicherheitskonzeption oder Notfallplanung“, sagt Martin Bardy. „Es ist vielmehr notwendig, vorhersehbare Risiken zu ­minimieren bzw. zu beseitigen, schon ­alleine um Haftungen für Veranstalter zu minimieren. Vorhersehbarkeit ist hierbei ein stark dehnbarer Begriff und höchst individuell. Was für den einen unvorstellbar ist, ist für den anderen vorhersehbar. Als Sicherheitsberater für Veranstaltungen schaut man daher ständig, was weltweit so bei Veranstaltungen geschieht. Ich versuche dann Vorfälle zu analysieren, Kausalitäten zu prüfen und Kaskadeneffekte sowie Eskalationsstufen zu begreifen. Das erlaubt einen ständigen Lernprozess, um Unvorhersehbares in Vorhersehbares zu transformieren.“

Proaktive Planung essenziell

Bleibt die Frage, wie man am besten vorgeht, wenn man seine Veranstaltung sicherer machen möchte. Und vor allem, mit welchen Kosten müssen Veranstalter dabei rechnen? „Der erste Schritt ist das Verständnis, dass Veranstaltungssicherheit nicht auf die Einhaltung der Notausgangsbreiten reduziert werden kann. Es benötigt vor allem einen proaktiven Ansatz. Man sollte sich möglichst frühzeitig intensiv mit den Gefahren, die mit der Veranstaltung verbunden sind, auseinandersetzen. Das lässt sich am besten mit ­einer systematischen Risikobewertung im Zuge der Sicherheitskonzepterstellung realisieren. Der nächste Schritt ist die ­Erarbeitung von proaktiven Maßnahmen, um die Eintrittswahrscheinlichkeiten der wesentlichen Risiken zu reduzieren. Dort, wo die Eintrittswahrscheinlichkeiten nicht oder nicht ausreichend gesenkt werden können, werden die entsprechenden Notfallpläne erstellt. Wenn man sich als Veranstalter nicht mit der Sicherheitskonzeption oder Notfallplanung beschäftigen möchte bzw. nicht die Zeit dazu hat, kann man die Erstellung auch in Auftrag geben. Die diesbezüglichen Kosten sind von mehreren Faktoren wie Veranstaltungsart, -größe, -gelände etc. abhängig und beginnen bei ca. 5.000 Euro.“

Es gibt noch Nachholbedarf

Für Eventnet.Austria-Sprecher Erik Kastner heißt es jetzt auf jeden Fall, am Thema dranbleiben. Seiner Einschätzung nach gibt es in diesem Bereich einiges zu tun. „Es besteht großer Nachholbedarf. Da sich im Laufe der Jahre die Branche, die Besucher und die politischen Voraussetzungen sehr verändert haben, muss dem Rechnung getragen werden. Es gibt viele Präventionsmöglichkeiten und anlass­bezogene Sicherheitsaspekte, die immer an die jeweilige Veranstaltung bzw. die Rahmenbedingungen angepasst werden müssen. Viele Neuerungen gibt es bei technischen Kontrollmöglichkeiten sowie bei Einlasskontrolle und Überprüfungen von Identitäten. Hier wird man in Zukunft auch sehen, wie sich die neue Datenschutzrichtlinie auf diese Kontrollfaktoren auswirken wird. Wichtig ist – wie bereits erwähnt –, dass sich sowohl der Veranstalter als auch die Gäste mit dem Sicherheitsaspekten auseinandersetzen. Deshalb machen wir das zum Thema.“ Eines steht für Kastner jedenfalls fest: Um das Thema Eventsicherheit kommt kein Veranstalter herum. Im Gegenteil ist sie von Beginn an bei jedem Projekt mit­zudenken. „Es ist heute unumgänglich, ab dem ersten Planungsstadium einer Veranstaltung auch den Punkt Sicherheit anzudenken. Dabei geht es nicht ausschließlich um die Sicherheit der anwesenden Gäste und Besucher, sondern auch um die Sicherheit von Mitarbeitern und eventuellen Anrainern oder – wenn auch nur peripher betroffenen – anderen Dritten. Bei vielen Veranstaltungen stellt sich dann natürlich sofort die Frage: Kann ich meine geplante Veranstaltung so in dieser Location oder in diesem Rahmen überhaupt durchführen? Diesen Gedankengang möchten wir jedem Veranstalter ,einpflanzen‘. Somit ist schon ein großer Schritt in Richtung Sicherheit gemacht!“

Foto: © Heimo Spindler

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