Zum 69. Mal hat die weltgrößte Buchmesse in Frankfurt am Main stattgefunden, das seiner zahlreichen Wolkenkratzer wegen gerne „Mainhattan“ genannt wird. Gerhard Ruiss, Geschäftsführer der IG österreichischer Autorinnen und Autoren, stand auf der Buchmesse für Messe&Event Rede und Antwort.

Messe & Event: Wie sieht Ihr Resümee der diesjährigen Frankfurter Buchmesse aus?
Gerhard Ruiss: Die erstaunliche Lebendigkeit des gedruckten Buches hat sich auch auf dieser Buchmesse gezeigt. Insgesamt ist der Buchmarkt zwar leicht rückläufig, aber Lesen ist keineswegs eine Angelegenheit der älteren Generation. Wir hatten an unserem Messestand viel junges Publikum. Auffällig ist, dass der Versuch, die digitale Welt vor das klassische Buch zu stellen, gescheitert ist. Im Zentrum steht wieder das gedruckte Buch. Das E-Book ist gerade in der Belletristik allenfalls eine Rahmenerscheinung, eine Ergänzung, in etwa wie das Taschenbuch.

Welchen Stellenwert haben Messen in unserer heutigen Informationsgesellschaft?
Das hängt von den Kosten für die Aussteller ab. Kleineren Ausstellern ist die Teilnahme an der Frankfurter Buchmesse mittlerweile zu teuer, Leipzig ist da erschwinglicher. Messen sind aber für die Buchbranche unverzichtbar, denn die Unmittelbarkeit des Kontakts kann im Internet nicht ersetzt werden. Eine Buchmesse ist wie ein temporärer Aufenthalt in einer Welt der Intellektualität, fast wie in der Bibliothek von Alexandria. Es gibt sogar Menschen, die extra Urlaub nehmen, um auf eine Buchmesse zu fahren. Andererseits gibt es nicht mehr diesen Novelty-Effekt. Frankfurt ist Zentrum der Lizenzgeschäfte, auch wenn diese schon vorab angebahnt wurden. Um die Geschäfte zu finalisieren, bedarf es der Handschlagqualität, die es nur auf einer Messe geben kann, vor allem auch, weil sich das ganze Geschehen auf ein paar Tage konzentriert. Für das Publikum gibt es wieder andere Schwerpunkte, hier zählt es eher, einen Überblick über das Angebot zu bekommen.

Österreischische Verlage nehmen auf dem deutschen Buchmarkt eine Außenseiterrolle ein. Sehen Sie darin einen Vorteil oder einen Nachteil?
Ein Vorteil besteht darin, dass man aus einer schwachen Position nur überraschen kann. Der Nachteil ist evident und besteht darin, dass die Hürden relativ gesehen höher sind, je kleiner ein Verlag ist. Ein Lösungsansatz ist, großen Wert auf Qualität und die Buchausstattung zu legen. Somit entgeht man auch der Entfremdung und kann das Publizieren als individualisierte Handlung begreifen.

Die Frankfurter Buchmesse als weltgrößte ihrer Art versucht mit zahlreichen Maßnahmen, den veränderten Ansprüchen gerecht zu werden. Wie stehen Sie dem gegenüber?
Die Veranstalter sind permanent auf der Suche, die Buchmesse will schließlich Avantgarde sein. Schlussendlich bleibt es oftmals bei einem Pilotprojekt. Ich erinnere mich an die Espresso Book Machine, mit deren Hilfe man in atemberaubender Geschwindigkeit on demand drucken können sollte. Letzten Endes hat das Gerät nicht gehalten, was der Hersteller versprochen hatte, und es ist in der Versenkung gelandet. Es stellt sich halt die Frage nach der praktischen Anwendbarkeit. Oft ist auch gar nicht klar, was funktionieren wird und was nicht, so ist es auch bei den Pilotveranstaltungen auf der Frankfurter Buchmesse. Man sucht halt nach neuen Themen wie dem Enhanced Book und komplementären Möglichkeiten zwischen digital und analog. Vor zwei Jahren kam dann die Rückkehr zum Autor und zur politischen Bedeutung der Messe angesichts des Wiedererstarkens des Rechtsextremismus. Die Demokratie ist wieder in Gefahr, da kann man Akzente setzen durch die Verbreitung von Büchern.

Der Markt für E-Books stagniert seit Jahren. Wird sich das wieder ändern oder sehen Sie gar eine Renaissance des gedruckten Buches?
Das gedruckte Buch ist nie tot gewesen. Es wurde totgeredet, hat aber seine Überlebensfähigkeit bewiesen. Im Unterschied zur Musikbranche hat die digitale Transformation beim Buch nie stattgefunden. Dazu trägt auch bei, dass E-Books anders als noch vor wenigen Jahren nicht mehr als innovativ empfunden werden. Bücher sind Signale nach außen. Leider wird die Lesekunst in der Bildungspolitik sträflich vernachlässigt. Beim Lesen steht der Inhalt im Vordergrund, die Schulen aber bilden Nichtleser heran. Schuld daran ist nicht zuletzt die ältere Generation, die im Bemühen, nur ja nicht als alt und überholt zu gelten, jeden Hype mitmacht. Vieles davon ist aber Spielerei und bewährt sich in der Praxis nicht. Durch die extreme Kurzlebigkeit der Hypes setzt auch rasch die Phase der Entzauberung ein.

Welche Veränderungen sehen Sie generell auf dem Buchmarkt? Wie werden Sie diesen begegnen und wie kann man jüngere Menschen für statische Medien wie Bücher begeistern?
Für große Verlage und Traditionshäuser wird es schwierig sein umzudenken. Sie sind zu nahe am Vermarktbaren. Die Chancen für kleinere Anbieter sind hingegen gewachsen, denn sie sind näher am Entdeckbaren und können dem Publikum tatsächlich Neues präsentieren. Es ist wie fast überall sonst auch: Die Kleinen leisten Entdeckungs-, Aufbau- und Entwicklungsarbeit, wovon nicht zuletzt die Großen profitieren. Man muss einfach aufhören, das Buch schlechtzureden. Inzwischen steht das Buch auf den großen Buchmessen ja wieder im Zentrum. Leider hält die Bildungspolitik mit dieser erfreulichen Entwicklung nicht mit und versucht nach wie vor, das Buch durch digitale Medien zu ersetzen. Dabei zeigt sich doch immer wieder, dass ein gut gebauter Text für sich selbst steht, man braucht nicht dauernd einen Dokumentar oder Diskurs zum Inhalt.

Foto: Frankfurter Buchmesse/Alexander Heimann

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