Mit viel Getrommel und einem breit angelegten Potpourri an neuen Angeboten ist die weltgrößte Buchmesse angetreten, ihre Position zu verteidigen. Mehr als ein Achtungserfolg konnte nicht erzielt werden.

„Die Welt ist verrückt geworden“ ließ Buchmesse-Geschäftsführer Jürgen Boos in einem Fernsehinterview wissen. Wie es mit der Buchmesse weitergehe, ließe sich daher nicht seriös einschätzen. Selten klare Worte aus dem Munde eines Messeverantwortlichen, der für gewöhnlich eher bemüht ist, auch Misserfolge gut aussehen zu lassen. Doch Realismus ist tatsächlich Gebot der Stunde, auch wenn es schwerfällt. Zwei Jahre lang hat die Buchmesse in ihrer eigentlichen Form nicht mehr stattgefunden, allenfalls als virtuelle Notlösung im WWW. Zwei Jahre, in denen die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Coronapandemie das gesamte weltweite Messe- und Veranstaltungsgeschehen geprägt hat, verbunden mit der Hoffnung, danach wie gewohnt weitermachen zu können.

Luxusgut Buch

Doch kaum wollte sich etwas Entspannung einstellen, zog Russland in einen Angriffskrieg gegen die Ukraine und sorgte damit für neue Verwerfungen. Hatte davor kaum jemand bedacht, wie wichtig die Energieträger Erdgas und Erdöl auch für die Buchbranche und das Messegeschehen allgemein sind, so sieht man sich auf einmal steigenden Produktionskosten gegenüber. Papier, der Rohstoff der Buchbranche, ist deutlich teurer geworden. Ein Umstand, der vor allem kleineren Verlagen schwer zu schaffen macht.

Aber auch die ohnehin wenig erfolgreichen E-Books sind durch stark gestiegene Stromkosten betroffen, ebenso natürlich die gesamte Messe-Infrastruktur. Vor diesem Hintergrund zu reüssieren ist natürlich schwierig, auch wenn alles versucht wurde, diesen Sachverhalt auszuklammern.  Waren es im Jahre 2019 nach offiziellen Angaben noch 302.267 private Buchmesse-Besucher und -innen, so blieb es heuer bei  87.000. Weniger stark die Einbußen bei den Fachbesuchern: 93.000 wurden gezählt nach 144.572 vor drei Jahren. Bei den Ausstellern sank die Zahl von 7.450 (2019) auf 4.000.

Zeitgeist und neue Partnerschaften

Im Ringen um neue Publikumsschichten hatten die Buchmesse-Veranstalter dieses Jahr alle Register gezogen. Etwas überrascht dürften einige Buchbranche-Insider über die strategische Partnerschaft mit dem chinesischen Konzern Bytedance gewesen sein, welcher durch seine Internet-Plattform Tiktok zwar sehr populär ist, aber nicht unbedingt mit Büchern in Verbindung gebracht wird. Offensichtlich ein Versuch, jüngere Menschen anzusprechen, so wie schon seit Langem mit der Integration der Manga- und Cosplay-Szene. Ist das Experiment geglückt? Für Bytedance wohl schon, kann das Unternehmen doch seine Bekanntheit weiter steigern.

Ähnlich zeitgeistaffin die publikumswirksame Zuschaltung des ukrainischen Präsidenten Volodymyr Selenskyi mit einem Aufruf an die Verlagsbranche in eigener Sache, während Ehefrau Olena Selenska im Dienste der Zeitschrift Brigitte zu Wort kam. Für Glamour sorgte auch das spanische Königspaar, das passend zum diesjährigen Buchmesse-Gastland Spanien vor Ort war.

Megatrends als Rettungsanker

Natürlich durften auch Megatrends nicht fehlen auf der diesjährigen Buchmesse. Mit „Act Now“ zeigte man sich gemeinsam mit den UN dem Umweltthema verpflichtet und hatte dazu Stars wie Reinhold Messner und Luisa Neubauer geladen. Auch Diversity steht hoch im Kurs. Nicht nur hatte man ein eigenes Awareness-Team am Start, welches während der gesamten Buchmessedauer vor Ort patrouillieren sollte, um jeglichen Versuch der Diskriminierung umgehend im Keim zu ersticken, sondern passend dazu ging auch noch der Deutsche Buchpreis erstmals an eine genderfluide Person, Kim de l’Horizon aus der Schweiz, für ihren Roman „Blutbuch“.

Auch NFTs durften natürlich nicht fehlen, und bei so viel offensichtlicher Anbiederung an den Zeitgeist stellt sich tatsächlich die Frage, in welche Richtung sich die Frankfurter Buchmesse zu entwickeln gedenkt. Denn genau genommen wäre es doch Aufgabe der Buchmesse selbst, neue Entwicklungen anzustoßen. So bleibt am Ende ein eher zwiespältiger Eindruck.

Die nächste Frankfurter Buchmesse wird von 18. bis 22. Oktober 2023 stattfinden.

Foto: Frankfurter Buchmesse

Share This