Erfolgreiche Werbe-Deepfakes lassen erahnen, welche Segnungen der aktuelle KI-Hype bereithält.

Es dürfte nicht lange dauern, bis in Dubai, der Lieblingsdestination der internationalen Creator/Influencer-Gemeinde, einige Domizile frei werden. Größter Feind des Künstlichen ist nämlich das noch Künstlichere, und eben dieses erhält gerade massiven Auftrieb durch fertige KI-Baukästen, mit denen einigermaßen Bedarfte in kurzer Zeit täuschend ähnliche Fake Personas entwerfen können. Diese haben, weil nur in virtueller Form existent, zahlreiche Vorteile aus Sicht Werbetreibender.

So erweisen sie sich als wahre Formenwandler, können gleichzeitig an verschiedenen Orten sein, optimieren sich im Betrieb, und leiden nicht an divenhaftem Gebaren. Im Gegenteil: an Widerspruch gegenüber ihren geistigen Schöpfern denken die virtuellen Wesen nicht im Entferntesten. Vielmehr passen sie sich geschmeidig an ihr Gegenüber an und steigern damit den Impact ihrer Botschaft ins Unermessliche.

Virtueller Personenkult

Derzeit entzückt die virtuelle Figur Emily Pellegrini die vornehmlich männliche Welt. Wer sie geschaffen hat, weiß niemand. Urheber oder Urheberin wollen aus welchen Gründen auch immer lieber anonym bleiben. Jedenfalls hat da jemand ganze Arbeit geleistet und ein virtuelles Wesen geschaffen, das durchaus menschenähnlich wirken würde, wäre es nicht so perfekt. Alles an Emily scheint optimal und entspricht dem Wunschkatalog einer breiten männlichen Hetero-Zielgruppe. Dass dieser Impuls hervorragend funktioniert, beweist die Tatsache, dass Emily Pellegrini mit Freundschaftsanfragen nur so überhäuft wird.

Auch Berühmtheiten aus Sport, Unterhaltung und Finanzwesen sind schon auf den Bluff hereingefallen und haben sich damit höchster Peinlichkeit ausgeliefert. Das bedeutet nichts anderes als: Emily wirkt! Schon bald ist also damit zu rechnen, dass Emily-Kopien sonder Zahl die bekannten Online-Netzwerke fluten werden. Jedenfalls, solange die Rechtsprechung noch keine Lösung für das neuartige Phänomen gefunden hat. Im gleichen Maße werden wohl die Aufträge für menschliche Creators/Influencer abnehmen.

Bonanza oder Pandoras Büchse?

Getreu Mark Zuckerbergs Mottos „Move fast and break things“ darf nicht unbedingt damit gerechnet werden, dass heutige KI-Software dem Wohle aller dienen wird. Allfällige Kollateralschäden immer realer wirkender Falschinhalte sind wohl wieder einmal von der Gesellschaft zu beheben. Das unterscheidet diese Lösungen maßgeblich von KI-Ansätzen vergangener Jahrzehnte, die zwar nach dem selben algorithmischen Prinzip funktioniert haben, aber meist in Form von Expertensystemen eine klar umrissene Lösung für Wissenschaft und Unternehmen ermöglichen sollten.

Beim aktuellen KI-Hype hingegen geht es primär darum, die Karten unter weltbeherrschenden IT-Unternehmen neu zu mischen. Microsoft hat dabei mit seinem exklusiven Nutzungsrecht an OpenAIs GPT die Nase vorne. Aufgabe der Allgemeinheit wird sein, die Entwicklung mit der nötigen Skepsis zu verfolgen und gegebenenfalls klare Grenzen zu ziehen. Nach dem riesigen Erfolg der Kunstfigur Emily Pellegrini zu schließen, gibt es in diesem Punkt noch viel Nachholbedarf.

Foto: Anonymer Schöpfer der Kunstfigur Emily Pellegrini

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