Eine Masterarbeit erforscht den Risikofaktor von sexueller Gewalt an Frauen auf Musikfestivals in Österreich und Maßnahmen für Sicherheit. FH-Prof. Mag. Harald Rametsteiner, Leitung Masterlehrgang Eventmanagement der Fachhochschule St. Pölten, und Sarah Zwanzger MSc, Absolventin des Masterlehrgangs Eventmanagement fassen im Artikel die Ergebnisse der Masterarbeit zusammen.

Musikfestivals genießen globale Beliebtheit, insbesondere bei Jugendlichen. Neben der Musik spielen auch Faktoren wie die Dauer & Größe des Festivals bzw. die Herkunft und das Geschlecht der Teilnehmenden eine Rolle. Zusätzlich gehören zu diesen Veranstaltungen Alkohol- und Drogenkonsum und sexuelle Aktivitäten, wobei diese nicht nur im Einverständnis der Frauen stattfinden. Eine Befragung des YouGov Research aus dem Jahr 2018 zeigt, dass 43% der unter 40-jährigen Frauen unerwünschte sexuelle Gewalt während eines Festivals erlebt haben.

Diese Ergebnisse decken sich mit den Medienartikeln der letzten Jahre, die über Fälle sexueller Übergriffe auf nationalen und internationalen Musikfestivals berichteten. So wurden zum Beispiel zwei junge Frauen beim österreichischen Nova Rock Festival Opfer von sexueller Belästigung, darauf aufbauend hat der Veranstalter mit einem verbesserten Sicherheitssystem und einem Campingbereich für Frauen reagiert.

Musikfestivals schaffen die Vermittlung des Gefühls, sich für kurze Zeit vom normalen Leben distanzieren zu können. Die Schattenseite dieser Distanz zur Realität kann jedoch zu einem Gefühl des rechtsfreien Raums führen, zusätzlich führt die geringe Kommunikation von sexueller Gewalt zu einer hohen Dunkelziffer von nicht gemeldeten Fällen. Die Masterarbeit von Sarah Zwanzger befasste sich mit diesem noch wenig erforschten Thema, um Handlungsempfehlungen für Sicherheit abzuleiten.

Zusammenfassung der bisherigen Forschung

Es gibt vergleichsweise wenig Forschung zum Thema der Geschlechterungleichheit im Kontext von Veranstaltungen. Sozial- und Kriminalwissenschafter*innen haben sich in den letzten Jahren verstärkt mit Problemen wie übermäßigem Alkoholkonsum im Zusammenhang mit Festivals beschäftigt, wobei die Betrachtung der geschlechterbedingten Gefahren gering ist. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass das mediale Interesse und die Berichterstattung bezogen auf sexuelle Gewalt auf Festivals umso größer ist.

Im englischsprachigen Raum gibt es einzelne Forschungsarbeiten, insbesondere in UK und Australien. Die bereits in der Einleitung angeführte Studie von YouGov befragte über 3.400 Personen, thematisch ging es um das Vorkommen von unerwünschtem sexuellen Verhalten auf Musikfestivals in Großbritannien. Die Ergebnisse zeigen, dass 22% unerwünschte sexuelle Handlungen und 29% der unter 40-Jährigen unerwünschtes Antanzen erlebten. 17% der Frauen unter 40 Jahren waren Opfer unter Bewusstsein und 11% ohne Bewusstsein, 2% waren Opfer einer Vergewaltigung.

Die Untersuchung von Bows/King/Measham in UK im Jahr 2020 unter 450 Personen, welche Festivals besuchten, ergaben, dass die zwei größten Sorgen der Frauen sexuelle Belästigung und Gewalt sind. Ein Drittel der Frauen berichteten von sexueller Belästigung, 8% von sexueller Gewalt. Die Studie von Fileborn/Wadd/Tomsen in Australien in 2019 kommt zu vergleichbaren Ergebnissen, von den Befragten glaubten 30% an häufige sexuelle Belästigung. Zusätzlich offenbarten 99% übermäßigen Alkoholkonsum und knapp 48% den Umgang mit Drogen.

Die von Sarah Zwanzger identifizierte Forschungslücke bezog sich auf die fehlende Behandlung von sexueller Gewalt auf österreichischen Musikfestivals.

Die Ergebnisse der empirischen Forschung

Basierend auf der umfassenden Darstellung der Ausgangssituation untersuchte Sarah Zwanzger das Themenfeld vertiefend über eine empirische Studie. Methodisch folgte sie einem qualitativen Studiendesign mit Experteninterviews. Es wurden drei Expert*innen als Mitwirkende bei österreichischen Musikfestivals und drei Expert*innen mit Erfahrung als Aktivist*innen für Frauenrechte und Sicherheit befragt. Die Auswertung der Interviews erfolgte über eine strukturierte Inhaltsanalyse nach Mayring, daraus ergaben sich Ergebnisse in vier Kategorien.

Die Kategorie Vorkommen und Arten von sexueller Gewalt zeigte selektive Erfahrung der Interviewparter*innen zu Vorfällen auf Musikfestivals. Als Arten von Übergriffen wurden unterschiedliche Formen von sexueller – körperlicher oder verbaler – Belästigung angeführt. In der Kategorie der möglichen Einflussfaktoren sexueller Gewalt bei Musikfestivals konnten aufgrund vergleichbarer Aussagen die Untergruppen Alkohol & Drogeneinfluss, das gesellschaftliche Problem der Machtausübung und das Festivalsetting als Nährboden (dazu zählen der Zeitraum Sommer, knappe Bekleidung, der Schlafplatz am Campingplatz, ausgelassene Stimmung und die Ablenkung durch die Musik) erhoben werden.

Bei der Meldepraxis von Übergriffen wurden mögliche Hindernisse zum Überwinden für eine Meldung genannt. Als Faktor wird der gesellschaftliche Umgang mit sexueller Gewalt gesehen, bezogen auf die Grenze und das falsche Einordnen. Auch der Mangel an Konsequenzen für die Täter wurde angesprochen, auch verbunden mit dem eingeschränkten Glauben an das Finden der Person. Zusätzlich wurden der mögliche falsche Umgang durch das Team aufgrund fehlender Schulung und mangelnder Glaube genannt. Zu den intrinsischen Faktoren zählen Scham und das Vermeiden vom wiederholten Reproduzieren des Erlebten.

Die abschließende Kategorie bezog sich auf die Sicherheitsmaßnahmen. Einerseits ging es um vorhandene Maßnahmen bei Musikfestivals mit Vorkehrungen: dazu zählen speziell geschultes  Sicherheitspersonal, Personal mit spezieller Kennzeichnung, Polizeistationen am Gelände, Briefings an die Security und ein eigener Campingbereich für Frauen mit Überwachung. Anderseits wurden mögliche Verbesserungen bei den Maßnahmen behandelt: neben einem geschulten Sicherheitspersonal soll es ein Awareness-Konzept geben. Die Verantwortung wird bei der Veranstaltung und in der Politik gesehen, in Bezug auf Präventionsarbeit und die Gesetze. Es wurde Aufklärung in der Gesellschaft angesprochen, zum Beispiel in Schulen und am Arbeitsplatz. Der Kommunikation wird eine wichtige Rolle zugeordnet, dazu zählen Informationen zum Verhalten nach dem Ticketkauf und zu möglichen Konsequenzen. Auch die Einbindung von Bands soll Aufmerksamkeit über Social Media Kanäle oder auf der Bühne schaffen. Ergänzend wurden die Registrierungspflicht beim Einlass, die Ausweitung der Awareness-Teams und Leitfäden für Veranstalter thematisiert.

Zusammenfassend zeigen die Erkenntnisse der Masterarbeit, dass das Bewusstsein der Problematik und der unterschiedlichen Arten von sexueller Gewalt vorhanden ist. Aber aus unterschiedlichen Gründen gibt es wenig Direktmeldungen, dadurch sind die konkreten Zahlen limitiert. Die Forschung ergab, dass trotz bestehender Sicherheitsmaßnahmen noch Lücken vorhanden sind. Die Ergebnisse der qualitativen Forschung über Experteninterviews sollen Anregung für weiterführende Maßnahmen bei Musikfestivals für mehr Sicherheit sein. 

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