Seit 12 Jahren bemüht sich das Wiener Waves-Festival, musikalische Newcomer aus der Indie-Ecke vorzustellen. Dieses Jahr auch im Metropol.

12 Jahre können eine lange Zeitspanne sein, vor allem in der schnelllebigen Musikszene. Wobei angesichts allgegenwärtiger Informationsflut nicht immer gewährleistet ist, dass wirkliche Talente die Aufmerksamkeit bekommen, die ihnen zusteht. Vor diesem thematischen Hintergrund bewegt sich das Wiener Waves-Festival. Es will Navigator sein, aktuelle Trends und Themen ausloten, vielversprechenden Musikerinnen und Musikern die Möglichkeit bieten, sich live vor Publikum zu präsentieren.

Dabei kommen als Auftrittsorte mittlerweile die bekannten Szenelokale entlang des Gürtels zum Einsatz, aber auch traditionsreiche Orte, heuer etwa das Metropol in Hernals. Mittlerweile etablierte Acts wie Clara Luzia, Dives oder Paenda sind in der Vergangenheit auf dem Waves-Festival aufgetreten, und auch heuer sind wieder vielversprechende Pop-Bands aus Österreich dabei. Dazu kommt dieses Jahr als Gastland die Schweiz als kleines Land mit ähnlicher Struktur wie Österreich, das immer wieder mit international reüssierenden Bands aufwartet.

Der Kommerz ist immer dabei

Auch wenn das Waves-Festival sich alle Mühe gibt, den begehrten „Indie“- respektive „Alternative“-Charakter seiner Veranstaltungen zu betonen, so lassen Sponsoren wie Universal oder Ticketmaster berechtigte Zweifel an der Glaubwürdigkeit solcher Allüren zu. Über solche Feinheiten zu diskutieren scheint allerdings müßig, hat Popmusik doch längst das Zeug zum Massenphänomen, wie auch Grenzgänger wie Wanda oder Bilderbuch beweisen. Den Waves-Veranstaltern, die sich im Dunstkreis des Radiosenders FM4 und des Magazins The Gap bewegen, ist vermutlich durchaus bewusst, dass auch Popmusik, egal wie aufmüpfig und sperrig sie auch daherkommen mag, längst ihre Position im Wirtschaftsleben gefunden hat.

Folgerichtig daher, dass zentraler Bestandteil des Programms Kongresse und Workshops sind, in denen sich Akteure entlang der Wertschöpfungskette austauschen, und neue Entwicklungen auf dem Musikmarkt erörtern. Anspruch auf Streetcredibility und knallharte Kalkulation werden dabei längst nicht mehr als Gegensätze wahrgenommen. Schlussendlich gilt, dass alle ein gedeihliches Auskommen finden wollen. Dass dies ohne Kompromisse kaum möglich ist, bezweifelt niemand.

Im Schatten der Megatrends

Gerade die internationale Musikbranche kämpft seit Jahrzehnten mit dem technologischen Wandel der Erwerbsmodelle. Die bekannten Download- und Streamingangebote im WWW haben den Tonträger als primäre Einkommensquelle längst abgelöst, dafür ist intensive Selbstvermarktung fast schon zur Conditio sine qua non geworden. Gerade Nachwuchstalente sehen sich heute in der Bredouille, wenn es darum geht, sich vor diesem kompetitiven Hintergrund zu behaupten. Dazu kommen gesellschaftliche Megatrends, etwa demografische Entwicklung, Ökologie und Diversität.

Nicht zu vernachlässigen die Tatsache, dass durch die Covid-Pandemie ein beträchtlicher wirtschaftlicher Schaden entstanden ist, dem große Unternehmen leichter begegnen konnten als so manches idealistische Kunstprojekt. Eine schwierige Gemengelage also, vor der sich das Geschehen heute abspielt. Dazu kommen noch potenzielle Bedrohungen durch Softwarefirmen, die mit KI-basierten Produkten dem künstlerischen Schaffen endgültig den Garaus bereiten wollen. Gesellschaftlichen Konsens, wie damit umzugehen sei, gibt es noch nicht. Branchenriese Universal hat indes schon einmal ein Abkommen mit Youtube-Betreiber Alphabet geschlossen, um einen Fuß in der Tür zu haben.

Popmusik in der Endlosschleife

Nicht nur älteren Semestern kommt es so vor, als sei Popmusik in ewiger Repitition der gleichen Zutaten gefangen. Schon 2011 attestierte der britische Musikjournalist Simon Reynolds in seinem vielbeachteten Buch „Retromania“ der Popkultur Nabelschau und Rückwärtsorientiertheit. In der Tat, auch wenn viele aktuelle Acts vermeintlich frisch und modern wirken, basieren sie doch auf Versatzstücken längst vergangener Zeiten, allenfalls aufgepeppt durch aktuelle Studiotechnik. Für eine Branche, die stets eine avantgardistische Haltung für sich beansprucht hat, ist so etwas eigentlich fatal. Abgemildert wird der Effekt nur durch die Tatsache, dass auch die Popkonsumenten älter geworden sind, und jüngere Hörer die stilprägenden Vorbilder gar nicht kennen.

Ob dies als Basis ausreichen wird, lässt sich bestimmt im Rahmen des Waves-Festivals von 7. bis 9. September erörtern.

Foto: Annie Taylor © Monir Salihi

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