Wir leben in spannenden Zeiten. Altbekanntes wird auf den Prüfstand gestellt, Neues wirbelt Bestehendes gehörig durcheinander oder befördert es gleich auf das Abstellgleis. Spannende Zeiten auch für Messeveranstalter, denn Ausprobieren wird zum Dauerzustand.
In der internationalen Messelandschaft herrscht seit geraumer Zeit Rastlosigkeit. Im Zuge geopolitischer und wirtschaftlicher Veränderungen scheint kein Stein auf dem anderen zu bleiben, und Themenfelder, die mit vernetzten Computern zu tun haben, laufen Gefahr, von der Unterhaltungselektronik aufgesogen zu werden. Wie sich die Fachmesse für Event-Technik, die Prolight + Sound, für die neuen Herausforderungen wappnet, hat Messe & Event bei Michael Biwer, Group Show Director des Bereichs „Entertainment, Media & Creative Industries“ der Messe Frankfurt Exhibition GmbH, nachgefragt.
Messe & Event: Die Prolight + Sound nennt sich jetzt „The Global Entertainment Technology Show“. Was genau soll dadurch zum Ausdruck gebracht werden? Wofür steht Entertainment Technology, was kann der Besucher erwarten?
Michael Biwer: Wir möchten Besuchern und Ausstellern in möglichst wenigen Worten klar machen, was sie bei der Prolight + Sound erwarten können. Daher haben wir diese neue Messe-Unterzeile gewählt. Der Begriff „Global“ bringt die herausragende Internationalität der Veranstaltung zum Ausdruck: Zuletzt zählten Prolight + Sound sowie Musikmesse Besucher aus über 150 Ländern. „Entertainment Technology“ umfasst das gesamte Produktspektrum von Licht und Ton über Theater- und Bühnentechnik bis hin zu spektakulären Effekten, medientechnischen Systemen sowie DJ- und Rundfunktechnik.
Einer der Trends der letzten Jahre scheint sogenannte Immersive Technologie zu sein, die es, wie der Name schon andeutet, dem Hörer oder Betrachter ermöglicht, mit dem Ereignis zu verschmelzen. Welche anderen Trends sehen Sie?
Neben dem Siegeszug der LED-Technik in den vergangenen Jahren sowie der Trend zu nachhaltiger Veranstaltungstechnik gibt es eine weitere Entwicklung, die alle Produktsegmente der Prolight + Sound entscheidend beeinflusst: So sorgt die IP-basierte Übertragungstechnik für ein Umdenken in der gesamten Industrie. Mehr und mehr übernehmen zentrale Kontrollsysteme die Steuerung aller verbundenen Endpunkte – von Displays über PA- und Lichtanlagen bis hin zu Mikrofonen und Kameras. Der Siegeszug der digitalen Technologie öffnet nicht nur neue Märkte, sondern sorgt auch für einen großen Weiterbildungsbedarf bei den Professionals der Branche. Auch aus diesem Grund bietet die Prolight + Sound ein umfassendes Seminarprogramm, das unter anderem über aktuelle digitale Übertragungsstandards wie Dante, Wireless DMX oder SDVoE aufklärt.
Nach langjährigem Wechsel der Laufzeiten finden Prolight + Sound und Musikmesse dieses Jahr wieder zeitgleich statt. Auch die ursprüngliche Aufteilung der Messen über das Gelände entspricht wieder jener vergangener Tage (Musikmesse Ostgelände, Prolight + Sound Westgelände). Welchen strategischen Sinn hatten die letztjährigen Änderungen?
Mit der kürzlich eröffneten Halle 12 ergeben sich neue Möglichkeiten – und wir möchten Ausstellern der Prolight + Sound die Gelegenheit geben, von diesen Vorteilen zu profitieren. Dieser Umstand war einer der wichtigsten Gründe für die neue Hallenbelegung. Das größte und modernste Gebäude der Messe Frankfurt bietet auf 33.600 m² Brutto-Ausstellungsfläche einen erstklassigen Rahmen für die Präsentation von Produkten und Lösungen rund um Light, Stage und Entertainment.
Außerdem folgen wir dem Wunsch der Aussteller und Besucher, den gesamten Bereich Audio, Sound und Recording in einer Halle zu bündeln. Produkte aus diesen Segmenten waren bisher in mehreren Hallen der Prolight + Sound und Musikmesse verteilt und erhalten nun zusammen eine Heimat in Halle 8.
Generell stand bei der Entwicklung des Hallenkonzepts eine Verkürzung der Laufwege im Vordergrund. So gibt es eine gemeinsame, aufwendig gestaltete Networking Area für Prolight + Sound und Musikmesse in Halle 4.1, nur wenige Schritte vom S-Bahn-Eingang „Torhaus“ entfernt. In ebenso zentraler Lage sind die Bereiche LED- und Medientechnik untergebracht (Halle 4.0).
Darüber hinaus bündeln wir in der modernen und architektonisch anspruchsvollen Halle 3 auf zwei Hallenebenen das gesamte Spektrum der Musikinstrumente. Auch für die Bereiche musikalische Bildung und Nachwuchsförderung schaffen wir mit dem „Music Education Center“ im Congress Center Messe Frankfurt eine konzentrierte Plattform.
Die Musikmesse hat in den letzten Jahren gegenüber der Prolight + Sound deutlich an Bedeutung eingebüßt, einige große Aussteller sind ferngeblieben. Wollen Sie die beiden Messen wieder auf Augenhöhe bringen?
Messen sind immer ein Spiegelbild ihrer Branchen, und im Bereich des Musikinstrumentenhandels begegnen wir einer insgesamt schwierigen Situation. Der Internethandel baut seine Marktanteile weiter aus, und die Dominanz weniger Big Player hat einen Best-Price-Wettkampf zur Folge, der die Margen für Händler und Hersteller gleichermaßen nach unten drückt. Um es zu verdeutlichen: Seit 2004 hat sich die Anzahl der Händler in der MI-Branche um ein Drittel reduziert, und bereits heute erwirtschaften nur 8 Unternehmen in Deutschland rund die Hälfte Umsatzes. Diese Konsolidierung ist eine knallharte und andauernde Folge des digitalen Wandels, und diese Folge war zuletzt auch auf der Musikmesse zu spüren.
Wir begegnen diesen Entwicklungen aktiv, setzen auf starke Programmbestandteile, integrieren neue, gesellschaftsrelevante Themen wie Musiktherapie, digitales und Cloud-basiertes Musizieren sowie den Einfluss von Machine Learning und künstlicher Intelligenz auf die Kreativwirtschaft. Darüber hinaus leisten wir ein hohes Invest, um den Messebesuch für Händler und Einkäufer so angenehm wie möglich machen. So bieten wir das Vorteilsprogramm „Insider“, das Entscheider an allen Tagen kostenfrei auf die Messe einlädt und viele Benefits direkt vor Ort beinhaltet. Hinzu kommt ein Business-Matchmaking-Programm, das Aussteller und Händler gezielt zusammenbringt. Die Musikmesse verändert sich also kontinuierlich – ob sie wieder die Größe ihrer Rekordjahre erreichen kann, hängt aber auch von der Branchenentwicklung ab sowie von der Frage, inwieweit sich die Industrie zukünftig auf den europäischen Markt fokussiert.
Die Publikumstage am Wochenende sind für viele Musikmessebesucher die einzige Möglichkeit gewesen, der Messe beizuwohnen, und erfreuten sich großer Beliebtheit. Nun gibt es keinen Wochenendtermin mehr. Sind Ihnen die Privatbesucher unwichtig geworden?
Entscheidend für die Stabilisierung der Musikmesse ist ein klar erkennbarer Markenkern. Auch aus diesem Grund positionieren wir die Veranstaltung eindeutig als Plattform für internationale Fachbesucher. Dazu zählen jedoch explizit nicht nur Händler, sondern beispielsweise auch Bildungsträger, Vertreter von Medien und Industrie – nicht zuletzt natürlich auch Musiker.
Unsere jährliche Befragung der Aussteller hat ergeben, dass sich die Mehrheit der Unternehmen eine komplette Überschneidung zwischen Prolight + Sound und Musikmesse wünscht sowie eine eindeutig auf Business to Business beziehungsweise Business to Professionals ausgerichtete Plattform. Dieser Umstand war mitentscheidend bei der Festlegung der Tagesfolge.
Um Ausstellern jedoch die Möglichkeit zu geben, auch Endverbraucher zu erreichen, realisieren wir am Samstag nach der Messe mit der „Musikmesse Plaza“ ein völlig neues Veranstaltungsformat. Die Musikmesse Plaza ist ein Pop-up-Market, auf der Aussteller ihre Produkte gezielt Endverbrauchern präsentieren und auch direkt verkaufen können. Darüber hinaus bietet die Musikmesse Plaza ein randvolles Event-Programm mit Konzerten, Workshops und Street Food.
Angesichts globaler wirtschaftlicher Entwicklungen haben einige große Messeveranstalter den Sprung nach vorn angetreten und setzen primär darauf, ihre Marke und ihr Know How internationalen Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen, so geschehen bei der Messe Hannover mit der CEBIT. Auch die Prolight + Sound hat seit Langem Austragungsorte in aller Welt. Sehen Sie darin die Zukunft europäischer Messeveranstaltungen?
Die internationale Expansion erfolgreicher Messemarken ist seit vielen Jahren ein Erfolgsmodell der Messe Frankfurt. Mit unserem globalen Vertriebsnetzwerk sind wir an 30 Standorten vertreten, können also auf das Know-How unserer Experten vor Ort zurückgreifen. Unterschiedliche Märkte erfordern unterschiedliche Messekonzepte – gleichzeitig schafft eine starke Marke Vertrauen und verspricht eine konstant hohe Qualität bei der Planung, Organisation und Durchführung einer Veranstaltung. Vor diesem Hintergrund haben wir mit der Prolight + Sound einen Brand mit hoher Strahlkraft für die weltweite Event- und Medientechnik-Industrie etabliert, mit erfolgreichen Veranstaltungen in Frankfurt, Shanghai, Guangzhou, Moskau und Dubai. So geben wir Ausstellern die Möglichkeit, auf genau den Märkten vertreten zu sein, die für ihre Geschäftsentwicklung besonders wichtig sind. Wir haben zudem die Erfahrung gemacht, dass sich die globale Präsenz unserer Messemarken auch positiv auf die „Muttermessen“ in Frankfurt auswirkt.
Welche Bedeutung hat das Rahmenprogramm für die Prolight + Sound?
Es ist kein Geheimnis, dass moderne Messen heute keine reinen Produktschauen mehr sind. Es geht um Informationsaustausch, es geht um Vernetzung, es geht darum, neue Impulse für innovative Projekte zu erhalten. Aus diesem Grund kommt dem Rahmenprogramm der Prolight + Sound eine wachsende Bedeutung zu und wird 2019 weiter verstärkt. So bringen die neuen „Circle Stages“ Vorträge, Panels, Produktdemos und Get-togethers direkt in die Messehallen und damit näher zum Aussteller und zum Besucher. Die geschlossene Bauweise der Circle Stages sorgt für angemessenen Schallschutz, um den Messebetrieb nicht zu stören. Nach dem großen Erfolg bei der Premiere in 2018 wird das „Immersive Technology Forum“ auf zwei Tage ausgeweitet. Darüber hinaus bietet die Prolight + Sound mit dem „Broadcast & Production Forum“ erstmals eine Seminarreihe für Profis aus dem Rundfunk-Bereich. Ebenfalls neu: Der „Congress for Audiovisual Integrated Systems (CAVIS)“. Selbstverständlich wird es auch die etablierten Formate wie die International Event Safety Conference und die zahlreichen Preisverleihungen und Award Shows wieder geben. Wir möchten Spitzenleistungen im Event-Bereich eine würdige Bühne geben und damit unseren Teil zur Weiterentwicklung der Branche beitragen.
Könnten Sie in die Zukunft blicken: Was darf man in zehn Jahren von der Prolight + Sound 2029 erwarten?
Unser Anspruch ist es, die weltweit erste Adresse für professionelle Begegnungen zwischen Unternehmen und Eventtechnik-Profis zu sein. Wir möchten unserer Linie treu bleiben, zukunftsweisende Präsentationsmöglichkeiten anbieten, die weit über eine reine Standfläche hinausgehen. Gemeinsam mit der Musikmesse möchten wir die gesamte Wertschöpfungskette der Musik- und Live-Entertainment-Branche in Frankfurt abbilden, indem wir beispielsweise Zielgruppen wie Labels, Agenturen, Event-Manager et cetera noch stärker in die Veranstaltung einbinden.
Foto: Messe Frankfurt GmbH