Einst waren Fachmessen selbst Trendsetter oder wenigstens Katalysatoren für neue Entwicklungen. Heute laufen sie Gefahr, von der Realität hoffnungslos abgehängt zu werden.

Mediale Umbrüche, gesundheits- und geopolitische Wirren sowie eine gesamtgesellschaftliche Neuausrichtung machen allen großen Messeveranstaltern schwer zu schaffen. Lang erprobte Veranstaltungskonzepte fallen mit einem Mal nicht mehr auf fruchtbaren Boden. Eine bedingungslos internationale Ausrichtung, bislang Grundbedingung für Wachstumsprozesse, wird infrage gestellt. Die Messe Frankfurt als eines der größten europäischen Veranstaltungsunternehmen hat es vor diesem Hintergrund hart getroffen. Durch gesetzliche Auflagen im Rahmen der Covid-19-Pandemie konnten viele Messen gar nicht erst stattfinden und wurden kurzerhand ins WWW verlegt, wo sie sich wiederum mit Onlineangeboten konkurrenzierten und meist Verluste einspielten. Die IAA, einst Aushängeschild des Messestandorts Frankfurt am Main, wurde nach lautstarken Protesten durch Klimaschutzbewegungen gleich ganz ­eingestellt. Zuschlechterletzt musste man sich angesichts des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine auch noch von russischen Beteiligungen trennen, auf denen nicht geringe Hoffnungen lagen.

Was also tun angesichts dieser horriblen Sachlage? Schließlich ist die Messe Frankfurt ein riesiger Betrieb mit ebenso riesigem Gelände, an dessen Wohl oder Wehe die gesamte Region Rhein/Main hängt. Eine dauerhafte Verlagerung des Messegeschehens in virtuelle Welten, wie schon seit gut 20 Jahren angedacht und angesichts des aktuellen Metaversenhypes naheliegend, kommt nicht infrage, zumal das großzügig ausgebaute Messegelände mit all seinen Hallen ausgelastet werden muss, soll es nicht zum dauersubventionierten Eurograb werden. So hat die Geschäftsleitung zunächst einmal die bestehenden Messen auf Rentabilität durchleuchtet und einige neue Messekonzepte ersonnen, die auf aktuelle Themen Bezug nehmen. Ob und wie erfolgreich diese sein werden, lässt sich natürlich schwer abschätzen. 

Flügelschlag des Schmetterlings

Als eine der ersten Folgen des Analyseprozesses kristallisierten sich rasch einige Messekonzepte heraus, deren Zeit offensichtlich abgelaufen war. Darunter auch die Frankfurter Musikmesse, die nach 40 Jahren Laufzeit eingestellt wurde. Eine Entscheidung, die wenig überraschend kommt, zumal die Musikmesse schon während der letzten Jahre nur noch im Schatten ihrer einstigen Begleitmesse stand, der Prolight + Sound. Für Veranstaltungstechnik gibt es nach wie vor einen großen Markt, auch wenn dieser angesichts neuer Ansprüche hinsichtlich Umweltverträglichkeit einem grundlegenden Wandel unterliegt. Nicht zuletzt scheint sich auch die Ära riesiger Festivals, die nach dem Vorbild des legendären Woodstock vor über 50 Jahren abgehalten werden, ihrem Ende zuzuneigen. Einfluss­reiche Musiker wie Altmeister Brian Eno oder die britische Band Coldplay fordern seit vielen Jahren eine Abkehr von der ­Gigantomanie des Showbusiness und finden damit in Veranstalterkreisen immer mehr Gehör. 

Schließlich geht es darum, die Ansprüche und Bedürfnisse vornehmlich jugendlicher Konsumenten zu bedienen, und diese legen wachsenden Wert auf eine nachhaltige Ausrichtung. Ein Thema, das in der Vergangenheit allenfalls am Rande eine Rolle gespielt hat, nun aber auch für die Anbieter der Veranstaltungstechnik immer wichtiger wird. Ein durchaus guter Nährboden also für die Prolight + Sound, solchen Entwicklungen entsprechenden Raum zu geben. Anders als für die Musikmesse, der schlussendlich die demogra­fische und mediale Entwicklung zum Verhängnis geworden ist. Für Jugendliche hat Musik heute eine andere Bedeutung als noch für deren Eltern. Musik ist einfach da und kann überall konsumiert werden, hat also großteils ihren Reiz verloren. Musikbegeisterte wiederum informieren sich im WWW und scheuen darob eher den zusätzlichen Aufwand eines Messebesuchs. Konsequent daher, die Prolight + Sound ohne Musikmesse weiterzuführen.

Als Sequel ihrer selbst

Einen ersten Einblick in die Neugestaltung des Messe-Frankfurt-Portfolios konnten Besucher der Prolight + Sound (PLS) 2022 gewinnen. Schließlich gilt die PLS weltweit als eine der Leitmessen für Veranstaltungstechnik und genießt daher auch bei der Geschäftsleitung der Messe Frankfurt große Bedeutung. Bespielt wurden heuer die beiden großen Hallen 11 und 12 sowie etwas Freigelände mit ­Außenbühnen. Mit kolportierten 20.000 Besuchern ist die PLS 2022 weit hinter ­gewohnten Zahlen zurückgeblieben, und auch die Absenz einiger großer Aussteller dürfte langjährigen Besuchern aufgefallen sein. Immerhin hat sich die teilnehmende Branche aber recht umtriebig gezeigt und so manche Überraschung in Form neuer Produkte aus dem Hut gezaubert, auch wenn diese sich bei genauer Betrachtung meist als sanfte Weiterentwicklung entpuppten. 

Vom Showfaktor her kommt das Publikum wie gewohnt in den Ebenen der Halle 12 auf seine Kosten, sind dort doch die Beleuchtungs- und Bühnenausstatter zu finden, die es auf ihren Bühnen gerne so richtig ­krachen lassen. Halle 11 hingegen konnte mit ihrem Mix aus Pro-Audio, DJ-Equipment und dem einen oder anderen Instrumentenhersteller weniger überzeugen und offenbart noch einiges an Optimierungsbedarf für das kommende Jahr. Alles in allem bleibt ein Wechselbad der Gefühle, das die Freude über die physische Wiederkehr einer wichtigen Fachmesse mit der betrüblichen Aussicht auf eine ungewisse Zukunft verquickt. Letzten Endes wird es vom Engagement sowohl der Aussteller als auch der Besucher abhängen, wie die Zukunft der PLS aussieht. Einen Veranstaltungszeitraum für das kommende Jahr gibt es jedenfalls schon, es ist der 25. bis 28. April 2023.

Neuheiten auf der Prolight + Sound 2022

  • Austrian Audio 

Nicht mehr ganz neu, aber trotzdem ein PLS-Höhepunkt ist das edle Mikrofon OC818 der AKG-Nachfolgefirma Austrian Audio, mit dem ganz bewusst des AKG-Klassikers C414 gedacht werden soll. Als Spitzenmodell wird das OC818 großteils von Hand gefertigt.

  • Electro-Voice 

Electro-Voice, seit 2006 unter dem Dach von Bosch ­Security beheimatet, bringt mit dem aktiven Monitorlautsprecher PXM-12MP einen kompakten, aber absolut praxistauglichen Beitrag zu gutem Bühnensound.

  • GLP 

Der Bühnenschweinwerfer Impression X5 von GLP kommt nun auch in kompakter Ausgabe und soll sich
wie der große Bruder für blitzschnelle Bewegungen und Zooms eignen. Der neue XDC1 und zwei Produkte der ­Fusion-Serie runden das Programm ab.

  • Global Truss 

Eine vollkommen neuartige Bühnentraverse in Form einer DNA-Helix kommt von Global Truss. Neben der ungewöhnlichen Formgebung soll auch erhöhte Stabilität für die DNA-Traverse sprechen, die in verschiedenen Längen erhältlich ist und in Wunschfarbe lackiert werden kann.

  • Robe

Gleich fünf neue Produktlinien stellte Robe auf der PLS vor: Painte, TetraX, iBeam 250, Spikie+ sowie die Calum­ma-Serie der Robe-Marke Anolis. Diese kamen in einer spektakulären Bühnenshow zum Einsatz, die auch dem neuen Robe-Endorser Hans Zimmer gefallen hätte.

Foto: Global Truss

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