Welchen Einfluss haben Digitalisierung und KI auf die Live-Kommunikation, welche Rolle spielen Klimawandel und Nachhaltigkeit für das Veranstaltungsmanagement der Zukunft und welche beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten bietet die LiveCom-Branche, aber auch welche Stressoren wirken auf die Beschäftigten ein? Dies waren einige der Fragen, denen Wissenschafter und renommierten Praktiker auf der 15. Wissenschaftlichen Konferenz Eventforschung der Technischen Universität Chemnitz in ihren Vorträgen nachgingen.
Nach drei Online-Konferenzen infolge von Corona konnte die Wissenschaftliche Konferenz Eventforschung der Technischen Universität Chemnitz am 27. Oktober 2023 erstmals wieder live Gäste empfangen. 65 Teilnehmer konnten im festlichen Saal des „International Club Berlin“ persönlich anwesend sein. Da die Plätze schnell vergeben waren, wurde die Konferenz live gestreamt und bot so 270 Teilnehmern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Möglichkeit, online dabei zu sein.
Die Initiatorin der Wissenschaftlichen Konferenz Eventforschung, Prof. Dr. Cornelia Zanger von der Technischen Universität Chemnitz, konnte in diesem Jahr zum 15. Jubiläum der Konferenz einladen, und die Resonanz auf den Call for Papers war sehr groß, sodass ein spannendes Programm aus Vorträgen von Praxisvertretern und aktuellen Forschungsergebnissen von Wissenschaftlern auf die Teilnehmer wartete.
In seiner visionären Key Note beschrieb Colja Dams, der CEO der VOK DAMS Group, die Möglichkeiten des Einsatzes von KI im Eventbereich. Er stellte eindrucksvoll und bildgewaltig dar, wie der Einsatz von KI das Eventmanagement künftig verändern wird. Dabei ging es um KI im Projektmanagement, zur Unterstützung von Kreativität und neuartiger Visualisierung, zur Schaffung von Teilnehmer-Experience und zur Marktforschungsanalytik, um individualisierte Teilnehmerdaten zu gewinnen. Sein Fazit: KI wird die LiveCom revolutionieren, aber das „Lagerfeuer-Gen“ der menschlichen Nähe wird bleiben.
In seinem mit großem Interesse diskutierten Vortrag stellte Niklas Stommel, ebenfalls von der VOK DAMS Group, die These auf: Live ist das neue Social Media. Ausgehend vom ursprünglichen Anliegen von sozialen Medien wie Facebook, Menschen miteinander zu vernetzen in Form einer „Many-to-many-Kommunikation“, stellte er fest, dass es bei den aktuellen sozialen Medien wie Instagram oder Tiktok mit einer Aufmerksamkeitsspanne von 0,4 Sekunden mehr um die (eigene) Präsentation geht und damit die „One-to-many-Kommunikation“. Die sozialen Medien verlieren an Authentizität und sind aktuell eher zu Massenmedien, vergleichbar dem TV, geworden. Deshalb kann man von einem „Digitalisierungsparadoxon“ sprechen, d. h. mit einem wachsenden Digitalisierungsgrad steigt die Nachfrage nach Live-Events mit der Möglichkeit zu persönlichen Kontakten.
Prof. Dr. Dirk Hagen von der DHBW Ravensburg beschäftigte sich in seiner Forschungsarbeit mit den Umwelteffekten (Greeningeffekten) des Einsatzes von neuen Technologien in der Eventbranche und konnte an Beispielen darstellen, dass Optimierung, Reduzierung und Effizienzsteigerungen bis hin zur Regionalisierung oder Vermeidung von physischer Anwesenheit und Reisetätigkeiten als Wirkungen erzielbar sind.
Auch drei weitere interessante Beiträge beschäftigten sich mit den Möglichkeiten digitaler Tools und Medien. Frau Prof. Dr. Olga Spomer von der Technischen Hochschule Mittelhessen stellte zum einen eine Untersuchung zum Einsatz digitaler Tools in Brand Lands vor, und zum anderen untersuchte sie mit ihren Studenten den Einsatz von Podcasts als Tool zur Vermarktung von Events. Frau Anna Meinhardt vom Marketingclub Dresden stellte vor, wie LinkedIn zur Gewinnung neuer Veranstaltungsteilnehmer und Mitglieder erfolgreich eingesetzt wurde.
Ein weiterer großer Themenblock waren Beiträge zur Nachhaltigkeit im Eventmanagement. Prof. Dr. Jan Drengner von der HS Worm konnte mit seiner wissenschaftlichen Studie die Bedeutung ökologisch verantwortlicher Veranstaltungssponsorings für die Besucher eines Festivals nachweisen. Die 17 Sustainable Development Goals (SDG) werden in der Veranstaltungswirtschaft intensiv diskutiert. In einem sehr persönlichen, engagierten Vortrag konnte Frau Sabine Böhling von sb2.conceps für nachhaltiges Eventmanagement mithilfe der SDGs motivieren. Laura Hoth von der Universität Osnabrück und Prof. Dr. Kai-Michael Griese gaben einen Einblick in das von 2022 bis 2026 laufende Förderprojekt des deutschen Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit & Verbraucherschutz zum Thema klimaangepasste Wertketten, untersucht am Beispiel von Events in Bad Essen, das sie mit Kolleginnen und Kollegen von beiden Hochschulen bearbeiten.
Ein dritter Themenblock beschäftigte sich mit den Beschäftigten in der Veranstaltungsbranche. Prof. Dr. Thoma Bauer untersuchte mit Kollegen Erwerbsbiografien der Absolventen der DHBW Ravensburg und konnte dabei interessante Karrierepfade aufzeigen. Ganz besondere Beachtung fand der Beitrag von Susanne Otta, die ihre Forschungsergebnisse zu stressbedingten Krankheiten und deren Verbindung mit der Arbeit in der Veranstaltungsbranche im DACH-Raum darstellte. Aufhorchen ließ schon, dass das mit einer international vergleichbaren Skala gemessene Stresslevel der Beschäftigten in der Veranstaltungsbranche mit 16,96 nur knapp unter dem Stresslevel von 17,00 bei medizinischem Hochrisikopersonal während der Pandemie liegt. Das durchschnittliche Stresslevel im DACH-Raum liegt bei 12,57. Insofern war auch nicht verwunderlich, dass Frau Otta einen Zusammenhang zu Krankheiten wie hohem Blutdruck, Herzinfarkt und Schlaganfall sowie vor allem auch Depressionen und Burn-out in der Veranstaltungsbranche feststellen konnte. Als besonders wichtige Stressoren konnten z. B. Lärm, Zeitdruck, zu wenige oder zu kurze Pausen, wenig Zeit zum Essen, Überstunden und nicht genügend Zeit für Familie und Hobbys identifiziert werden. Als Empfehlung zum Stressabbau gab es Hinweise zu einem besseren Zeitmanagement. Passend zum Stressthema stellte Frau Birgit Schenk, Absolventin des MBA Studiengangs Eventmarketing/Live Kommunikation der TU Chemnitz, eine empirische Untersuchung zu den Ursachen für problematische Arbeitsbedingungen im Messebau vor und gab Handlungsempfehlungen zu Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz.
In weiteren Beiträgen wurde der Zusammenhang von Place Brand Attraktivität und Eventmarkenattraktivität durch Prof. Dr. Sören Bär und Kollegen von der Universität Bayreuth und die Rolle von Messen in der B2B-Customer-Journey von Frau Melanie Stehr von der Deutschen Messe untersucht. Frau Michelle Speth von der Technischen Hochschule Mittelhessen, Felix Kuper von GURGL CARAT und weitere Kollegen stellten den spannenden Versuch dar, die Vergeudung von Ressourcen bei Pitches durch ein Reverse-Pitch-Verfahren auf den Kopf zu stellen.
Einen anspruchsvollen und wie gewohnt polemischen Abschlussbeitrag präsentierte Prof. Dr. Thomas Duschlbauer von der Fachhochschule St. Pölten. Er setzte sich vor dem Hintergrund der Epoche des Manierismus mit den aktuellen Erscheinungen der Eventkommunikation inklusive der KI auseinander und stellte eine eindrucksvolle Eventaktion zum Thema Klimawandel und Hitzekollaps in Wien vor.
Die 15. Wissenschaftliche Konferenz Eventforschung erreichte auch eine beachtliche Resonanz in sozialen Medien und wurde so einmal mehr ihrer Aufgabe als Plattform das Austauschs von Wissenschaft und Praxis in der Live-Kommunikation gerecht.
Der Stream der Konferenz ist ab Mitte Dezember über die Konferenzwebsite abrufbar: www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/eventforschung
Foto: Colja Dams, CEO der VOK DAMS Group, gratuliert Prof. Dr. Cornelia Zanger zum 15. Jubiläum der Wissenschaftlichen Konferenz Eventforschung. © VOK DAMS Group