Bis 23. April 2017 besteht noch Gelegenheit, in der C/O Berlin Foundation der Ausstellung „Total Records“ einen Besuch abzustatten. Sie widmet sich der Vinylschallplatte, wobei besonderes Augenmerk auf der künstlerischen Gestaltung der Plattenhüllen liegt.

In den letzten Jahren ist immer wieder von einem Revival der Vinylschallplatte zu hören. Dabei ist sie, obwohl technisch veraltet, nie völlig verschwunden gewesen. In den 1990er- und 2000er-Jahren hielten ihr – neben ein paar beharrlichen Fans – vor allem Techno-DJs die Treue. Überleben in der Marktnische. Mittlerweile ist die Nachfrage wieder gestiegen, sodass selbst beim Elektronik-Discounter auf vielen Regalmetern eine stattliche Auswahl an Schallplatten zu finden ist. Vinyl wird wohl eine Nischenerscheinung bleiben, allerdings ist die Nische deutlich gewachsen.

Hommage an das Plattencover

Passend zu Entschleunigung und medialem Detox-Programm erobert die Schallplatte die Herzen einer neuen Generation von Sammlern, die mit digitalen Medien aufgewachsen und nun Haptik und Handling der schwarzen Scheiben entdeckt. Darin sind Parallelen zu sehen zur Begeisterung für Pfeiferauchen, Flohmarktmöbel und automobile Oldtimer. Wo alles immer hektischer und kurzlebiger wird, gerät das Alte, dem man sich mit Hingabe widmen muss, zur Therapie. Die gelungene Ausstellung „Total Records“ in der C/O Berlin Foundation liefert dazu den geschichtlichen Hintergrund und fängt den Mythos Vinyl trefflich ein. Was wäre eine Schallplatte ohne grafisch gestaltete Hülle? Auf jeden Fall nur halb so faszinierend. Deshalb liegt der Schwerpunkt der Ausstellung auf dem Plattencover, das als Symbiose aus Identitätsstiftung, Kunst und Werbung zum Kauf animieren soll.

Fotografie und Covergestaltung

Nirvanas nach einer Dollarnote tauchendes Kleinkind, Velvet Undergrounds Siebdruck-Banane (gestaltet von Andy Warhol), Debbie Harrys von Pfeilen durchbohrtes Gesicht (gestaltet von H. R. Giger), die vier Beatles auf dem Zebrastreifen, das erste Album der Sex Pistols mit der Schriftgestaltung eines Erpresserbriefes – allesamt Klassiker der Cover-Art und Meme der Popkultur. Ganz zu schweigen von farbigem Vinyl, Picture-Discs, Schallplatten in Sonderform, Faltcovers für Doppelalben, aufwendig gestalteten Japan- und USA-Importen, die das Herz jedes Sammlers höherschlagen lassen. Oder als Gegenpol reduktionistische Gestaltung bei Metallicas„Black Album“ sowie dem Doppelalbum „2 Schallplatten“ der Krautrocker Kraan. Schallplattencover als Statement.

Visuelle Kunst trifft Popmusik

„Total Records“ stellt die Geschichte der Verbindung aus visueller Kunst und Musik nach. Ob Annie Leibovitz, Helmut Newton, Anton Corbijn oder Herb Ritts: Sie alle werden in der Ausstellung gewürdigt. Das relativ große Format von 30 mal 30 Zentimetern für eine Langspielplatte oder Maxi-Single bot stets genügend Freiraum, um eine visuelle Botschaft zu vermitteln. Schon mit der viel kleineren Fläche einer Compact Disc ließ sich nicht mehr viel anfangen.Und im Zeitalter der MP3-Downloads und Audiostreams ist das Cover, falls überhaupt vorhanden, zur Beigabe im Briefmarkenformat geschrumpft. Umso erfreulicher, dass sich die C/O Berlin Foundation der faszinierenden Welt der Cover-Art widmet. Ein Besuch lohnt sich für alle Platten-Connaisseurs und Popkultur-Begeisterten.

FOTO: David von Becker

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