Nachdem die Messe Frankfurt für die Internationale Automobilausstellung (IAA) einen drastischen Schwund an Ausstellerfirmen hinnehmen musste, wird die Hallenaufteilung geändert zugunsten eines Oldtimerschwerpunkts.
Der Rückspiegel ist eines jener Relikte, die sich bei Automobilen über Jahrzehnte hinweg nahezu unverändert gehalten haben. Ganz und gar Low-Tech, aber sehr effizient. Nun wird der Rückspiegel auch in metaphorischer Hinsicht bemüht, denn inmitten des Neuwagengetummels werden auf der IAA richtig alte Gefährte zu bestaunen sein. Ein Widerspruch? Themenverfehlung? Mitnichten, denn offensichtlich sollen die hohen Sympathiewerte der Oldtimer auf die neuen Produkte abfärben, was in Zeiten von Fridays for Future, Klimawandel, gefälschter Abgaswerte und Dieselfeinstaub von nicht geringem Wert sein könnte, wenn es denn gelingt.
Nie zuvor musste die Automobilbranche gegen derart heftigen Gegenwind ankämpfen, nun scheint gerade in Deutschland mit seiner hohen Abhängigkeit von der Autoindustrie Feuer am Dach zu sein. Der wohltuende Blick zurück in bessere Zeiten soll es nun richten, auch wenn die inhärente Botschaft durchaus missverstanden werden könnte. Nämlich als stilles Eingeständnis, dass Automobile in ihrer heutigen Form und Ausprägung nicht mehr zeitgemäß sind.
Alt gegen neu
Wie integriert man themenspezifisches Know-How am besten in ein bestehendes Veranstaltungskonzept? Ganz einfach: man holt einen strategischen Partner ins Boot, in diesem Falle die Firma Motorworld, die deutschlandweit mit Ausstellungsflächen und einem Händlernetzwerk für eher teure Oldtimer jede Menge Expertise gesammelt hat. Das gemeinsame Projekt nennt sich „IAA Heritage by Motorworld“ und wird die gesamte Halle 4.0 des Frankfurter Messegeländes einnehmen.
Die Besucher bekommen natürlich nicht nur alte Autos und Motorräder zu sehen, sondern auch Angebote von Händlern, Zubehörfirmen, Werkstätten, und eine Menge Sammelwürdiges aus dem Umfeld der Oldtimer-Szene. Ob der Funke von alt auf neu überspringt, wird zu eruieren sein. Schließlich ist die Mehrheit der Oldtimerenthusiasten eher auf Teileflohmärkten anzutreffen, schraubt mit Vorliebe selbst, und hegt wenig Begeisterung für neue Gefährte. Im Umkehrschluss könnte natürlich passieren, dass Neuwageninteressenten plötzlich Gefallen an altem Blech finden und ihr Geld lieber in ein historisches Gefährt investieren.
Vom Liebkind zum Stiefkind
Für die Autoindustrie hat es wahrlich schon bessere Zeiten gegeben. Hoher Investitionsdruck, neue Konkurrenten aus Fernost, schwindendes Käuferinteresse vor allem bei jüngeren Menschen, dazu neue Probleme durch immer stärkere Integration von Computertechnik samt deren Kurzlebigkeit und „Permanent Beta“-Status. Darüber hinaus die Schwierigkeit, Entwicklungen der nächsten Jahre vorherzusehen.
Wie schön war das doch in der Hochblüte des Autos, den 1960er und 1970er Jahren. Das Auto galt als Familienmitglied, das gehegt und gepflegt wurde, und natürlich als Statussymbol. Selbst die Erdölkrise zu Beginn der 1970er Jahre und die mahnenden Worte des Club of Rome konnten daran nichts ändern. Die Auswirkungen autofreundlicher Politik sind noch heute sichtbar: Zersiedelung am Land durch Einkaufszentren und Gewerbeparks auf der Grünen Wiese, riesige Parkhäuser und Betonwüsten in den Innenstädten. Dagegen regt sich nun Widerstand, und somit ist es hoch an der Zeit für die Autoindustrie, sich neu zu erfinden. Ob der Blick in die automobile Vergangenheit dafür ausreicht, bleibt eher zu bezweifeln.
Die IAA Frankfurt findet von 12. bis 22. September 2019 statt.
Foto: Motorworld Group“