Mit gewohnt diskursivem Programm geht das heurige Donaufestival an den Start. Ab 19. April wird Krems zwei aufeinanderfolgende Wochenende lang Ort zahlreicher Veranstaltungen aus Musik, Film, Tanz und Performancekunst.
Von veranstalterischer Seite her hat das traditionsreiche Kremser Donaufestival zum gewohnten Ablauf zurückgefunden. Keine improvisierten Line-Ups mehr, auch keine unfreiwilligen Terminkollissionen mit ähnlich ausgerichteten Festivals wie dem Grazer „Elevate“. Dieser erfreuliche Umstand ermöglicht endlich wieder volle Konzentration auf Programm und inhaltliche Abläufe.
Anders als bei herkömmlichen Musik- oder Theaterfestivals geht es beim interdisziplinären Donaufestival stets darum, das Publikum einzubinden und zum Nachdenken anzuregen. Diesem Anspruch ist Thomas Edlinger, seit 2017 künstlerischer Leiter des Donaufestivals, auch heuer wieder gerecht geworden. Neben einer Vielzahl von Programmpunkten, die teils von bekannten Kunstschaffenden, teils von neuen Gesichtern bestritten werden, soll das Motto „Community of Aliens“ als verbindendes Element dienen.
Faszination des Fremdartigen
Der, die oder das Alien, also das Fremdartige, Abseitige oder einfach nur Unbekannte ist ein Phänomen, das gleichermaßen faszinieren wie abstoßen kann. In der Science Fiction sind Aliens meist Wesen ferner Welten, welche je nach Zugang der Autorenschaft eine Bereicherung oder eine Bedrohung darstellen. Die Bandbreite reicht dabei vom herzigen E. T. bis hin zum tödlichen Virus, das die Menschheit auszurotten droht. Im Grunde vereinen Aliens Variationen menschlicher Eigenschaften in sich, in etwa so, wie es Gottheiten in Religionen zu tun pflegen. Hinzu kommt als Faszinosum das mysteriöse Element, mit welchem Fremdartiges nun einmal ausgestattet ist.
Aliens entziehen sich den Erklärversuchen moderner Wissenschaft und stellen dadurch einen Nervenkitzel bereit, der medial gerne ausgeschlachtet wird. Bedenkt man den Aufwand, der betrieben wird, um das Weltall nach fremdartigen Lebensformen abzusuchen, stellt sich kaum noch die Frage nach dem Stellenwert solcher Erkundungen: der Mensch will unbedingt wissen, ob er als einzige hochentwickelte Spezies im All existiert. Und wenn nicht, wäre dies erfreulich oder bedenklich?
Die Aliens sind wir selbst
Heute lässt sich festhalten: egal, ob es außerirdische Lebensformen gibt oder nicht, die Menschheit ist sich selbst fremd geworden. Von der großen Frage nach dem Sinn des Lebens abgesehen, die Generationen von Dichtern und Philosophen inspiriert hat, hat sich die Existenz vieler Menschen aufgespalten in zahlreiche reale und virtuelle Erscheinungsformen, die mit dem Individuum zwar verbunden sind, aber nicht zwingend etwas mit ihm zu tun haben müssen. Was wahr ist oder falsch, hat sich durch neue computergenerierte Anwendungen bis zur Unkenntlichkeit verschoben.
Droht Verlust der Kommunikationsfähigkeit, wenn alle in ihren heimeligen Wahrnehmungsblasen bleiben? Können Menschen in mehreren selbstdefinierten Existenzformen gleichzeitig leben? Werden die unglaublichen Möglichkeiten der Genschere CRISPR/Cas neue Lebensformen ermöglichen? Solche und ähnliche Ansätze mögen reichlich Denkanstöße liefern. Fakt ist aber auch: die Menschheit wird sich durch technologische Einwirkung selbst immer fremder. Die Aliens sind also wir selbst.
Das Programm
Einen philosophischen Überbau zum physischen Programm zu verdichten ist nicht gerade einfach. Oft sind die Auslöser in aktuellen geopolitischen Ereignissen zu finden, etwa in Mariana Berechzovskas Musikprojekt „Rybachka“, das dem Krieg in der Ukraine gewidmet ist. Eher allgemeinem Unbehagen frönt die Musik von Eaeres, die von elektronischen Klängen und schweren Doom-Drones zehrt. Introvertierte Empfindsamkeit strahlen wiederum die musikalischen Projekte von Aimée Portioli/Grand River und Ian Mugerwa/Dawuna aus. Kontrolliert Lärmiges versprechen Acts wie Gazelle Twin und Föllakzoid, nostalgisch Verbrämtes die Shoegaze-Helden Jesus and Mary Chain und das Streichorchester Kaleidoskop mit einer Neuinterpretation der einstigen Velvet Underground-Sängerin Nico.
Neben dem Schwerpunkt Musik werden auf dem Donaufestival die Theater-/Performance-Aufführungen „Impact Driver“ von Eve Stainton, „Unearth“ von Jefta van Dinther oder VOID von Joshua Serafin zu erleben sein. Einiges davon ist erstmals in Österreich zu sehen. Ergänzt wird das Programm durch Lesungen und Filmvorführungen wie Kibwe Tavares´ „Robots of Brixton“. Genaue Informationen, auch zu Zeitplan und Veranstaltungsort, gewährt die Donaufestival-Webseite.
Foto: Mathias Voelzke, HKW Berlin