Was wünschen sich Veranstalter von Kongressen am sehnlichsten? Dass die Veranstaltung für die Teilnehmer zum Erfolg wird. Doch diesen sicherzustellen, wird aufgrund neuer Kommunikationsgewohnheiten und nicht zuletzt auch des gesellschaftlichen Wandels immer schwieriger. Das macht mitunter ängstlich und unsicher. Die Initiative BodenseeMeeting nimmt die Herausforderung an und sucht im micelab nach erfolgreichen, zukunftsweisenden Strategien und Konzepten für Kongresse, Tagungen und Meetings. Messe & Event war mittendrin statt nur dabei.

Zing, Zing – so klein und unscheinbar die Triangel auch sein mag, so intensiv und durchdringend ist ihr Klang. Ein ideales Instrument, um auch in einer großen Gruppe von Menschen unmittelbar für Aufmerksamkeit zu sorgen. Diese Aufgabe erfüllt sie auch hier im Festspielhaus Bregenz mit Bravour. Ihr Ton zeigt uns an, dass die Pause jetzt vorbei ist und es im Programm weitergeht. Denn kaum etwas nervt Kongressteilnehmer so sehr wie ein Zeitplan, der nicht eingehalten wird, weil manche ihren Kaffeeplausch nach Lust und Laune ausdehnen.

Gemeinsam mit 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus allen Gewerken und Abteilungen der MICE-Branche rund um den Bodensee, bin ich als „embedded journalist“ – ein Begriff, der eigentlich Berichterstatter beschreibt, die in Kriegsgebieten einer bestimmten Einheit zugewiesen wurden – in die Vorarlberger Landeshauptstadt gekommen, um den Kongress der Zukunft mitzugestalten.

Hier wird Kongresszukunft erdacht

Entstanden ist das micelab aus einer Initiative der Vermarktungs- und Interessensgemeinschaft BodenseeMeeting. Diese bemüht sich seit mittlerweile 20 Jahren um die Weiterentwicklung der Region rund um die drei Gewässer Obersee, Untersee und Seerhein – kurz den Bodensee – als Tagungs- und Kongresslandschaft. Eine Strategie, die bereits Erfolge verzeichnet. Im Verbund der vier Länder Österreich, Deutschland, Schweiz und Liechtenstein hat man sich in der Branche einen Namen gemacht und das ­micelab zu einer Marke mit Strahlkraft weiterentwickelt.

Ziel der Initiatoren ist es, im aufstrebenden Kongresssegment ganz vorne mitzumischen. Dazu gilt es konkrete Antworten auf die brennendsten Fragen der Praxis zu finden. Wie muss eine ideale und zeitgemäße Lernumgebung für Erwachsene aussehen? Welche Tagungsformate eignen sich besonders gut, um den individuellen Kongresserfolg für die Teilnehmer sicherzustellen? Welche Weiterentwicklungen werden die Branche nachhaltig prägen? Welche veränderte Aufgabenstellung als Anbieter von Kongress- und Tagungseinrichtungen bringt die Zukunft mit sich? Wie kann der Bodensee im stark gesättigten internationalen Vermarktungs-Urwald als innovative Tagungsregion platziert, eventuell sogar zu einer starken MICE-Marke entwickelt werden?

Wirtschaftsfaktor mit Wachstumspotenzial

Denn Tagungen und Kongresse sind längst ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Alleine in Deutschland nehmen rund 340 Millionen Menschen jährlich an Kongressen teil. Auch in Österreich zeigt die Kurve steil nach oben. Eine Analyse des „Meeting Industry Report Austria“ (mira) ergab, dass die Anzahl an abgehaltenen Kongressen seit 2011 österreichweit um 48 % gestiegen ist. Firmentagungen legten sogar um 54 % zu, bei Seminaren gab es immerhin noch ein Plus von 8 %. So ist es kaum verwunderlich, dass der Wettbewerb um Kunden und Umsätze voll entbrannt ist und auch durchaus hart geführt wird. Ohne eine stringente Positionierung kann man beim Buhlen um Kunden leicht unter die Räder kommen. Mit der Marke micelab will sich BodenseeMeeting daher als Leuchtturm im Tagungseinheitsbrei etablieren – „wir sind die Kongressvordenker“, lautet die Botschaft an regionale und internationale Veranstalter.

Erlebbares Know-how im micelab:bodensee

Das Konzept des micelab gliedert sich dabei in die Forschungsmodule micelab:explorer, die Weiterbildungsmodule micelab:experts und den im Zweijahresrhythmus stattfindenden Kongress micelab:experience. In ihm fließen die Erfahrungen aus den beiden Modulen zusammen und werden in der Praxis erlebbar. In den micelab:explorer-Modulen leisten Menschen aus den verschiedensten Disziplinen – vom Soziologen bis zum Pfarrer – die Grundlagenarbeit für die micelab:experience-Module.

Zuletzt ging es dabei um das Thema „Angst und Vertrauen. Wie Gefühle integriert werden.“ Unsere Aufgabe war es jetzt, auf dieser Grundlage im micelab:experts die Thesen auf ihre Praxistauglichkeit zu überprüfen und gemeinsam weiterzuentwickeln. Einige der zentralen Fragen lauteten dabei: Ist der Veranstalter bereit, mit neuen Kongressformaten neue Pfade zu beschreiten? Werden die Teilnehmer die neuen Formate annehmen? Bieten die Veranstaltungszentren dementsprechendes Know-how sowie die dafür notwendigen räumlichen Voraussetzungen? Ist die Geschäftsführung bereit, in neue Formate zu investieren?

Pioniere bei der Arbeit

Als Kuratoren begleiteten uns Tina ­Gadow und Michael Gleich vom Netzwerk „der kongress tanzt.“ Auf ihrer Website beschreiben sie ihr Ziel wie folgt: „Wir sagen: Es reicht! Schluss mit Nullsummenquaselei auf Podien. Mit narkotisierendem Frontalunterricht. Mit ,Hauptsache-Agenda-durchgezogen‘-Hektik. Wir wollen andere Veranstaltungen: solche, die gut sind und nicht nur gut gemeint, die anregen, inspirieren, Freude machen. Wir fingen einfach mal an. Seitdem gestalten wir Inhalte. Ermöglichen bleibende Erlebnisse. Und siehe da: Es funktioniert!“ Auch im micelab:experts war dieser Pioniergedanke spür- und erlebbar. Mit unterschiedlichen Positionierungsspielen – etwa indem man sich entsprechend der geografischen Lage seines Wohnortes im Raum verteilt – wurden gleich von Beginn an die Kommunikation und Interaktion innerhalb der Gruppe forciert.

Relativ rasch hatte man so einen guten Überblick über die Teilnehmer und ihre Funktionen, ohne den „Umweg“ über peinliche Vorstellungsrunden. So geknüpfte Kontakte konnte man anschließend nicht nur in laufend wechselnden Gruppenarbeiten, sondern auch in den Kaffeepausen und bei Mittag- und Abendessen, die jeweils gemeinsam an einer großen Tafel eingenommen wurden, vertiefen.

Scheiter heiter, denn ein Fishbowl ist keine Suppe

Dieses erlebte Miteinander zog sich durch alle drei Tage. So galt es etwa auf einer Papierbahn die einzelnen Arbeitsschritte, die zur Durchführung eines erfolgreichen Kongresses notwendig sind, zu notieren – und siehe da, mitunter erfuhren dabei zum ersten Mal die Haustechniker, was eigentlich ihre Kollegen in der Buchhaltung leisten müssen und mit welchen Herausforderungen Catering und Kundenbetreuer tagtäglich konfrontiert sind. So wurde nicht nur gemeinsam an einer Lösung gearbeitet, sondern ganz nebenbei auch noch das Teamgefühl gestärkt.

Auch der Programmablauf war nicht in Stein gemeißelt, sondern wurde gemeinsam adaptiert und entwickelt, mitunter auch in heftigen und lebhaften Diskussionen. Das Motto dabei: „Scheiter heiter!“ Denn nicht jeder konnte und wollte sich von Beginn an auf die neuen Methodiken einlassen. Mit viel Geduld und Flexibilität meisterten die beiden Kuratoren auch diese Situationen mit Bravour und scheuten sich nicht davor, den Ablauf immer wieder aufs Neue der Gruppendynamik anzupassen.

Vor allem der „Auftritt“ von Gast-Coach Roberto Hirche (www.impro-konstanz.de), am zweiten Tag, sorgte für positive Vibes und jede Menge Lacher. Er führte uns in die Prinzipien des Improvisationstheaters ein. Alle Übungen verfolgten ein Ziel: Wir sollten mit ungewohnten Situationen umgehen lernen. Das war nicht nur unterhaltsam, sondern trägt auch dazu bei, das eigene Charisma und sein Selbstvertrauen zu stärken.

Besonders groß war das Interesse der Teilnehmer an neuen Kongressformaten. Ob World-Cafe, Pecha Kucha, Fishbowl oder Open-Space – viele von ihnen wurden vorgestellt und auch gleich erlebbar gemacht. Für Auflockerung im Programm sorgten immer wieder kleine, interaktive Einheiten, die zum Austausch untereinander anregten. So wurde etwa in „Geh-sprächen“ das Erlebte gemeinsam verarbeitet und weiterentwickelt.

Herz trifft Hirn

Fazit: Alles in allem sorgte das mice­lab:experts vor allem für eine regen Austausch untereinander und viele sympathische Kontakte, auch wenn der gesamte Ablauf und die offene Struktur der Veranstaltung für einige Teilnehmer erst einmal recht ungewöhnlich waren. So wurde mitunter auch heftig diskutiert und kritisch hinterfragt. Doch dabei zeigte sich eines ganz deutlich: Das Thema an sich ließ niemanden kalt. Was könnten sich Kongressveranstalter mehr wünschen als Teilnehmer, die sich auf das Thema emotional einlassen? Und da war es plötzlich wieder, das Motto der drei Tage: „Angst und Vertrauen. Wie Gefühle integriert werden.“ Wir alle hatten es ganz individuell und unterschiedlich intensiv erlebt, obwohl uns das vielleicht in diesem Augenblick gar nicht bewusst war – in diesem Sinne hat das micelab:experts seine Mission jedenfalls ­erfüllt.

Foto: micelab:bodensee/Anja Köhler

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