Auch die Musikproduktion bleibt vor dem aktuellen KI-Hype nicht verschont. Studiomusiker dürfen bereits um ihren Gelderwerb bangen.

Wenn die kürzlich zu Ende gegangene NAMM-Show in Anaheim, Kalifornien, eines gezeigt hat, so, dass die allgegenwärtige Digitalisierung die Musikbranche fest im Griff hat. Längst geht es nicht mehr nur um Netzwerktechnologie oder um Tablet-PCs als Musikinstrument, vielmehr findet gerade eine Zäsur statt in der Art und Weise, wie Musik geschaffen wird.

Schon seit es Samplebibliotheken ganzer Orchester, selbstquantisierende Audiosoftware, oder das unvermeidliche Autotune gibt, sind die Anforderungen an das musikalische Können stark gesunken. Nun folgt das Äquivalent zum virtuellen Musikstar, nämlich die KI-basierte Musikproduktion. Seit letztem Jahr ist die Anzahl entsprechender Software-Startups geradezu explodiert, und es fällt schwer, einen Überblick zu bewahren.

Remix-Maschinen

Um die Tragweite heute üblicher KI-basierter Software einschätzen zu können, hilft es, sich diese als gigantische Remixmaschine vorzustellen. Je mehr Informationen die KI zur Verfügung hat, desto genauer kann sie bereits Existierendes so umformen, dass etwas Neues entsteht innerhalb der Parameter, die die Entwickler gesetzt haben. KI schafft nicht etwa Neues aus dem Nichts, sondern aus einem mehr oder weniger großen Datenpool. Entsprechend bedeutsam die Frage nach dem Urheberrecht der verwendeten Vorlagen, allerdings hinkt die europäische Justiz diesem Sachverhalt um einige Jahre hinterher.

Bislang herrscht also das Recht des Disruptoren, der seine Claims absteckt. Schließlich geht es um viel Geld. Wichtig auch die Frage, ob ein von KI-Software generiertes Werk überhaupt geschützt werden kann. Hier gehen die Ansichten weit auseinander, nach aktuellem Stand der Dinge scheint es aber nicht möglich zu sein, Urheberrecht für ein Werk zu beanspruchen, das ausschließlich KI-basiert ist.

Nach der Schockstarre

Diesen grundlegenden Überlegungen zum Trotz gibt es natürlich eine Menge Business Cases, in denen KI-basierte Musikproduktion sehr gelegen kommt. Vor allem, wenn KI-Software bereits im Unternehmen verwendet wird, und der Umgang damit bekannt ist. Lässt man nämlich Text-to-Music-Software arbeiten, stellt sich rasch heraus, dass die Genauigkeit der Prompt-Eingaben eine diffizile Angelegenheit ist, um einigermaßen das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Oft vergehen viele Stunden und Tage mit dieser Tätigkeit, was einen möglichen Effizienzgewinn rasch pulverisiert.

Für Schöpfer von Gebrauchsmusik wie etwa Werbejingles kann es lohnender sein, zunächst einmal mit KI-basierten Plugins zu experimentieren. Diese lassen sich meistens recht einfach in bestehende Produktionsumgebungen integrieren und ermöglichen, Erfahrungen zu sammeln. Selbiges trifft natürlich auch auf Musikanten der alten Schule zu sowie auf Sounddesigner ohne Berührungsängste.

Probieren geht über Musizieren

Erste Gehversuche in KI-basierter Musikproduktionssoftware lassen sich mit kostenlosen browserbasierten Lösungen sammeln. Soundraw und Boomy etwa erfüllen jedes Klischee über KI und versprechen, ohne jegliches Grundwissen Musik schaffen zu können. Sie richten sich folgerichtig auch an junges Publikum und Influencer/Creators. Deutlich professioneller geht es bei den neuen OpenVINO-Plugins des Audio-Editors Audacity zu. Diese eignen sich gut, um in gewohnter Softwareumgebung zu testen, ob KI-Software überhaupt das Richtige für die eigenen Bedürfnisse ist.

Daneben gibt es mittlerweile auch komplette DAWs auf KI-Basis, etwa das beliebte Aiva. Für einen experimentellen Ansatz eignet sich Cycling74s Max ganz hervorragend. Darüber hinaus kann man den Trend auch völlig ignorieren und die gewohnte Arbeitsumgebung weiterhin nutzen. Neben rein computerbasierter Musik wird es auch in Zukunft Musik geben, die mit traditionellen Instrumenten von kundiger Hand eingespielt wurde.

Foto: aiva.ai

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