Hat die Live-Marketing-Branche nach der teils zweijährigen coronabedingten Zwangspause zu alter Stärke zurückgefunden? Messe & Event hat bei Branchenexperten nachgefragt, wie die Aussichten auf und die Planungen für 2023 sind.

Mag. Gertrude Emrich, Stellv. Vorstandsvorsitz livecom und Philipp Cejnek, MBA, Vorstandvorsitz livecom

Die Auftragslage variiert innerhalb der Branche stark, auch aufgrund der viel kurzfristigeren Auftragsvergaben werden Personal- und Ressourcenplanungen immer schwieriger, in Summe ist die Stimmung jedoch durchwegs positiv.

Die Herausforderungen für Veranstal­tungsdienstleister*innen sind im Jahr 2023 weiterhin enorm. Corona-Spätfolgen treffen auf Teuerungen, die Auswirkungen des Krieges sowie den durch ­Corona weiter verstärkten Service- und Fachkräfte­mangel.

Die steigende Inflation und die prognostizierte Rezession haben tiefgreifende Auswirkungen auf die Planungsaktivitäten für große Veranstaltungen. Dabei sind langfristige Planung und Perspektiven essenziell, denn Veranstaltungen haben einen Planungsvorlauf von bis zu zwölf Monaten, bevor Einnahmen erwirtschaftet werden. So wächst der Liquiditätsmangel. Pauschale negative Bankenratings für die Branchen machen nötige Finanzierungen unmöglich. Dies, obwohl das Branchengeschäft stets völlig gesund war und bleibt. In dieser Lage sehen zahlreiche Auftraggeber*innen Projektanzahlungen als zu hohes Risiko an. Der Liquiditätsmangel verschärft sich demnach multikausal weiter.

Arbeits- und Fachkräfte sind seit 2020 pandemiebedingt vermehrt in andere Branchen abgewandert. Die Branche hat in der Krise mehr als die Hälfte ihrer ­Erwerbstätigen verloren. Sie müssen wiederaufgebaut werden. Die Verfügbarkeit von Fachkräften ist eine Voraussetzung für eine wirtschaftliche Erholung, nachhaltiges Wachstum und den Fortbestand der Branche. Das politische Interesse, die schmerz­haften, jedoch wertvollen Erfahrungen der letzten beiden Jahre für die dringend notwendige Weiterentwicklung eines ­wesentlichen Wirtschaftsmotors für das Tourismusland Österreich zu nutzen, bleibt leider aus. Statistische, vorhandene Daten, die für eine fundierte Branchenstudie notwendig gewesen wären, wurden nicht zur Verfügung gestellt. Fürchtet man Ergebnisse, die Verantwortliche zwingen, verkrustete Strukturen zu überdenken, und die neue Strategien und Handlungen notwendig machen würden? Wer wagt es denn, zukunftsorientierte Rahmenbedingungen zu schaffen, unabhängig von politischem Geplänkel, mit Tatkraft und Weitblick und über Funktionsperioden hinaus?

Andreas Bader, MSc (Kreativtechnik Payrich & Co OHG), Mitglied des Vorstandes der I. M. Austria

Nach einem turbulenten und von He­rausforderungen geprägten Jahr 2022 startet die Messebranche voller Elan in ein erneut ungewisses Jahr 2023. Neben den bereits bekannten Themen (Verfügbarkeit von Personal, Transportkapazitäten und diversen Materialien, Inflation usw.) wird 2023 vor allem eine Frage zu beantworten sein: Wohin werden sich unsere Kunden orientieren? Betrachtet man den österreichischen Veranstaltungskalender, büßt die Messe Wien weiter an Relevanz für den Markt ein, für die Messe Salzburg wurde zumindest eine dreijährige Kooperation mit RX Austria & Germany vereinbart, die Auswirkungen davon sind jedoch noch ungewiss. Deutlich positive Signale und Akzente gibt es natürlich auch, neue Veranstaltungen wie zum Beispiel die REXEL expo 2023, die soeben in Wels zu Ende ging, begeistert angenommen wurde und mehr als gut besucht war. Der Trend zur Internationalität, zur Leitmesse im Ausland wird sich jedenfalls fortsetzen. Was im Gegensatz dazu ebenfalls stark wächst, sind die inter­nationalen Kongresse, die in Österreich stattfinden. Hier wird wichtig sein, internationale Kunden, die lokale Messebauer benötigen, zu gewinnen.

Gerhard Stübe, ACB-Präsident

Wir blicken mit einer gewissen Zuversicht auf die kommenden Monate. Zum einen, da die Bundesregierung bekanntlich das Ende der Pandemie ausgerufen hat – und damit werden wohl auch sämtliche Einschränkungen fallen –, zum anderen, da das ­Inte­resse am Tagungsstandort Österreich wieder messbar gestiegen ist. Vor allem im Bereich Corporate Business wird Österreich derzeit stark nachgefragt. Das internationale Kongressgeschäft hat noch nicht ganz an die Zeiten vor der Pandemie anknüpfen können. Auch hier sind wir zuversichtlich, dass sich dies bis ins Jahr 2024 weiter positiv entwickeln wird. Weiterzuentwickeln gilt es auch das Bewusstsein, Kongresse und Tagungen vor allem im Bereich Mobilität sowie Logistik nachhaltiger zu gestalten. Als erstes Land Europas hat Österreich mit dem Umweltzeichen Green Meeting und Green Event bereits vor Jahren Parameter eingeführt, die Veranstaltungen nachhaltiger umsetzen lassen. Darauf aufbauend könnte sich in den kommenden Jahren ein Europäisches Umweltzeichen entwickeln. Man muss nur wollen.

Gerti Schmidt, Obfrau Freizeit- und Sportbetriebe, WKO Wien

Events und Messen sind zurück.
Und zwar live!
Die letzten Jahre waren aufgrund der Pandemie für viele Betriebe eine fast unüberwindbare Herausforderung. Events und Messen waren sicherlich eine der am stärksten betroffenen Branchen.
Die Unternehmer*innen haben jedoch Durchhaltevermögen, Innovations- und Anpassungsfähigkeit bewiesen. Die Zeichen der Zeit wurden erkannt und neue Trends definiert.
Nachhaltige Veranstaltungen spielen eine immer größere Rolle, von Hochzeiten bis zu großen Kongressen.
Auch wenn die Branchen vom Livecharakter leben, sind hybride Veranstaltungen gekommen, um zu bleiben. Gleichzeitig wird immer wichtiger, digitale Elemente, sogenannte Touchpoints, auf Veranstaltungen zu integrieren.
Alles in allem ist 2023 ein vielversprechendes Jahr für den Veranstaltungsbereich. Trotz gestiegener Kosten oder vielleicht gerade deswegen – denn professionelle Beratung und Planung schaffen Effizienz- und Budgetsicherheit. Die Menschen freuen sich wieder auf Live-Events!

David Strolz, emba-Vorstandsvorsitzender

Die Eventbranche ist zurück auf Vor-Corona-Niveau und der Markt hat sich sogar etwas zugespitzt. Lieferanten, vor allem im F&B- und Technik-Bereich, sind rar geworden und das treibt die Preise in die Höhe. Dazu kommen noch gestiegene Energie- und Personalkosten und im Durchschnitt liegen wir bei ca. + 20 Prozent Gesamtbudget. Das Bewusstsein über die hohe Priorität von Events im Marketingmix ist aber so weit gestiegen, dass sich die Preissteigerungen ­aktuell noch nicht in der Nachfrage niederschlagen. Mitarbeiterevents sind bei der aktuellen Lage am Arbeitsmarkt ein wichtiges Instrument im Employer Branding, Networking-Veranstaltungen sind nach der Zeit von Social Distancing wichtiger denn je und Marketingbotschaften werden noch immer durch Emotionen und Erlebnisse am besten vermittelt. Dadurch blicken wir sehr zuversichtlich auf die kommenden Monate und freuen uns auf spannende Eventproduk­tionen.

Carmen Dankova, Assistentin Sales & Events, Schloss Thalheim und Hannah Pedevilla, Sales- & Eventmanagerin, Schloss Thalheim

Inspirationen für die Tagungsbranche: Die Relevanz von Events hat sehr stark zugenommen, da der persönliche Kontakt mit Kunden und Kollegen mehr wert­geschätzt wird und immer noch viel Nachholbedarf an Weiterbildungen und Teamworkshops besteht. Vor allem zu ­Beginn des Jahres war die Nachfrage sehr groß und viele Seminare und Firmen­veranstaltungen wurden recht kurzfristig geplant. Auch der Wunsch nach individuellen Erlebnissen und Angeboten ist größer geworden. Wir als Eventmanagerinnen im Schloss THALHEIM geben uns immer Mühe, im Kontakt mit den Kunden auf die persönlichen Wünsche und Vorstellungen einzugehen, um unseren ­Gästen ein ­unvergessliches Erlebnis zu verschaffen. Nur so können wir das Umfeld, in dem die Teilnehmer Neues lernen und arbeiten, so angenehm wie möglich gestalten. Die richtige gastronomische Verpflegung darf natürlich nicht fehlen, was viele ­Betriebe derzeit vor die große He­rausforderung des Fachkräftemangels stellt, genauso wie die Preissteigerungen. Wir blicken trotzdem mit Zuversicht und ­großer Motivation auf das kommende Jahr und freuen uns auf viele erfolgreiche Veranstaltungen!

Foto: Image by Drazen Zigic on Freepik

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