Im zweiten Teil des Interviews mit Messe&Event erklärt NÖKU-Geschäftsführer Albrecht Großberger unter anderem, wie er mit den finanziellen Folgen der Coronapandemie umgeht.
Messe&Event: Die NÖKU Niederösterreichische Kulturwirtschaft GmbH sieht sich als Förderer kultureller Aktivität im Sinne des Erwerbs kritischen Denkens und zeitgemäßer Medienkompetenz. Ein Konzept, das nicht gerade mainstreamtauglich ist. Finden Sie, dass die Politik solche Konzepte zu wenig berücksichtigt?
Albrecht Großberger: Ja, wir haben mit all unseren künstlerischen Aktivitäten auch immer den Anspruch, Gesellschaft ein Stück weit zu verändern und das ist – denke ich – eine sehr, sehr wichtige Funktion von Kunst. Wir in Niederösterreich haben von der Politik genau diesen notwendigen Gestaltungsfreiraum eingeräumt bekommen.
Aus dem Konzept der NÖKU ergibt sich ein Naheverhältnis zu freischaffenden Künstlerinnen und Künstlern aus aller Welt. Eine Personengruppe, die besonders unter finanzieller Notlage zu leiden hat, nicht nur in Pandemiezeiten. Wie sind Sie mit dieser Tatsache umgegangen, was wünschen Sie sich von der Regierung?
Ja, da hat uns die Krise in eine schwierige Situation gebracht. Einerseits wurde das ABG dahingehend rückwirkend geändert, dass echten DienstnehmerInnen Entgelt fortzuzahlen ist. Bei WerkvertragspartnerInnen wie eben gerade auch KünstlerInnen ist es leider aufgrund der aktuellen Gesetzeslage in Österreich fast umgekehrt: Wenn ich einem Künstler für Nichtleistung aus Gründen der Solidarität und zwecks Vermeidung von sozialen Härtefällen Abschlagszahlungen leiste, begebe ich mich als Geschäftsführer in den Strafrechtstatbestand der Untreue. Hier kam es leider bislang zu keiner Änderung der sehr strikten Gesetzeslage.
Viele Veranstaltungslokale und Institutionen abseits des Mainstreams sind derzeit existenziell bedroht. Fördert dies nicht die Solidarität?
Ja, das wäre sehr zu hoffen. Aber durch die oftmals sehr unterschiedliche finanzielle Ausstattung der Kulturbetriebe kann es aber gerade auch in Zeiten wie diesen zu einer Desolidarisierung kommen.
Finanzieller Verlust und wirtschaftliche Notlage sind nur zwei Aspekte der aktuellen Umstände. Wie steht es um das Verständnis von Kunst und Kultur allgemein? Sehen Sie genügend Wertschätzung Ihren Veranstaltungen gegenüber? Wie geht man anderswo in Europa mit den neuen Bedingungen um? Was könnte Österreich besser machen?
In Niederösterreich gibt es das Wissen und die Überzeugung betreffend den gesellschaftlichen Wert von Kunst und Kultur. Durch die Bestellung der neuen Staatssektretärin Andrea Mayer bekommt die Kunst auch hoffentlich wieder einen größeren Stellenwert auf Bundesebene!
Das Donaufestival ist weit über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt als hochkarätige Veranstaltung mit tiefgründigen und „unbequemen“ Inhalten. Sehen Sie dieses Konzept bedroht angesichts vermutlich weiterer Konsolidierung der Veranstaltungsbranche?
Nein, grundsätzlich nicht! Natürlich werden die öffentlichen Gebietskörperschaften nach überstandener Krise sparen müssen, aber das darf nicht bedeuten, dass die avancierteren Angebote verschwinden! Es wird auch stark an uns als Gruppe selbst liegen, hier die richtigen Akzente und Prioritäten zu setzen.
In wenigen Wochen, von 10. bis 26. Juli 2020, soll das Festival „Glatt&Verkehrt“ über die Bühne gehen. Lässt sich abschätzen, ob und in welcher Form es tatsächlich stattfinden wird?
Ja, das stark verkleinerte, aber feine Ersatzprogramm ist bereits online! Der künstlerischen Leitung, Albert Hosp, und uns war es wichtig, dass nicht das ganze Festival ersatzlos der Krise zum Opfer fällt. Und unser langjähriger Partner Radio Ö1 zeichnet wieder alle Konzerte bei den Winzern Krems in der Sandgrube 13 auf!
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die österreichische Kunst- und Kulturszene längst nicht so einheitlich auftritt wie zu wünschen wäre. Partikularinteressen scheinen das gemeinsame Wohl zu überlagern und enden nicht selten in offen ausgetragenen Neiddebatten der Art Subkultur gegen Hochkultur. Wie positioniert sich die NÖKU in dieser Gemengelage?
Wie schon oben angesprochen, sollten wir uns in dieser schwierigen Situation nicht „auseinanderdividieren“ lassen!
Wie sehen Ihre Pläne aus für die kommenden Monate? Ich nehme an, Sie haben einen Plan B und womöglich einen Plan C parat.
Die Pläne bis Ende August 2020 sind fix gesetzt. Jetzt warten wir auf die Ansagen der Bundesregierung zum Herbst 2020. In den Ausstellungshäusern tun wir uns etwas einfacher mit dem Planen. Bei den Veranstaltungsbetrieben, die im September/Oktober 2020 ihre Saisonen starten, sind wir angesichts einer allenfalls drohenden, zweiten Welle für den Herbst 2020 etwas besorgter.
Wie könnte ein Ausblick auf die kommenden Jahre europäischen Kulturschaffens aussehen? Was bleibt von der Coronapandemie, und wird sie womöglich sinnstiftend wirken? Oder droht ein neues Biedermeier angesichts allerorten vermuteter Bedrohungen? Wie kann ein modernes, zukunftsgerichtetes Veranstaltungskonzept aussehen?
Auch wenn das aktuell noch etwas eigenartig klingen mag, aber es wird auch an uns liegen, unsere Lehren aus der Krise zu ziehen und so der Krise etwas Gutes abzugewinnen. Und wenn es nur eins klar gezeigt hat, dass die Menschen ganz, ganz dringend soziale Kontakte und tatsächliche Begegnungen brauchen…
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Foto: Sebastian Philipp