Mit einem Besucherrekord ist die Linzer Ars Electronica 2019 zu Ende gegangen. Kommendes Jahr soll die Traditionsveranstaltung auf dem Campus der Johannes Kepler Universität stattfinden.
Es war die bisher größte und erfolgreichste Ars Electronica: 16 Veranstaltungsorte mit insgesamt 548 Veranstaltungen, 1.450 teilnehmenden Künstlern, und 110.000 Besuchern zeigen, dass die Ars Electronica generationenübergreifend einen Fixpunkt der Linzer Kulturlandschaft darstellt. Im Gründungsjahr 1979 hatte das noch ganz anders ausgesehen: mit einem gewissen Misstrauen bestaunten viele Linzer damals diese seltsame Veranstaltung und das begleitende Musikfestival Klangwolke, das die Bevölkerung zur aktiven Teilnahme aufforderte. Medienkunst war zu jener Zeit ein Themenkreis, in dem sich fast ausschließlich die künstlerische Avantgarde und eine Handvoll Tüftler bewegten.
Unter tatkräftiger Ägide der Organisatoren und bekennender Technikaficionados wie Peter Weibel sollte im Lauf der Jahrzehnte eine international renommierte Veranstaltung heranwachsen, die Linz als Kulturort neu definierte. Ein willkommener Beitrag zum Imagewandel der Stadt vom tristen Industriestandort zur weltoffenen und vorwärtsgerichteten Stadt mit Lebensqualität. Eine Tatsache, die Bürgermeister Klaus Luger dieses Jahr ermunterte, die „herausragende Qualität sowie Quantität dieses Festivals“ gebührend hervorzuheben.
In der Midlife Crisis
Vom allgemeinen Befund her geht es der Ars Electronica bestens: Zuspruch sowohl aus der Bevölkerung, der Politik, als auch der Kunstwelt ist nicht vielen Veranstaltungen gegönnt. Und doch führt die Selbstreflexion der Veranstalter zu der Erkenntnis, dass die grundsätzlich technikfreundliche Ausrichtung der Ars Electronica sich in einer Krise befindet. Nach vierzig Jahren ist ein derartiger Befund keineswegs befremdlich, bedenkt man die gewaltige Veränderung, die in diesem Zeitraum stattgefunden hat. Anno 1979 sind Personal Computer noch exotische Gerätschaften gewesen, mit denen sich allenfalls Wissenschaftler und ein paar Technikbegeisterte befassten. Die ars electronica, also die elektronische Kunst, fristete ihr Dasein in einem exklusiven Zirkel von Avantgardisten, deren Schaffen an der breiten Öffentlichkeit weitgehend vorbeiging.
Unter diesen Bedingungen konnte ein besonderes Event wie die Ars Electronica noch von seinem Exotenstatus profitieren und den Anspruch erheben, in die Zukunft zu blicken. Ganz anders heute: Computerkunst ist längst nichts Ungewöhnliches mehr, und Konzepte, die einstmals als besonders futuristisch galten, locken heute den sprichwörtlichen Hund nicht mehr hinter dem Ofen hervor. So steht die Ars Electronica mittlerweile unter Zugzwang, das eigene Konzept zu überdenken und der gesellschaftlichen Entwicklung anzupassen.
Musik ist Trumpf
Musik und ihre Verquickung mit Elektronik stand immer schon im Vordergrund der Ars Electronica. Schließlich gilt Musik als Abstrakteste aller Künste und fordert zum Überschreiten formaler wie stilistischer Grenzen heraus. Schon in den technikbegeisterten 1920er Jahren ersannen Tüftler wie Lew Termen Vorläufer der späteren Synthesizer, während Avantgardisten wie John Cage und andere Vertreter der Neuen Musik mit interaktiven Aufführungskonzepten experimentierten, die heute noch als Benchmarks gelten. Die erste Linzer Klangwolke, in deren Rahmen auch die Ars Electronica ihr Debüt gab, knüpfte dort an und verwob Musik, Visuals und Interaktivität in einem Open Air-Setting.
Bis heute hat sich an der Attraktivität des Konzepts nichts geändert, während der AIxMusic-Schwerpunkt auf der Ars Electronica etwas schwächelt. Dass Artificial Intelligence (AI), also Künstliche Intelligenz, vieles vermag, hat sich längst herumgesprochen. Doch löst diese relativ neue Form des Computereinsatzes keine große Neugierde mehr aus, stellt sie doch anders als bisherige Entwicklungen mehr und mehr die Sinnhaftigkeit menschlichen Schaffens in Frage. Womöglich ist dies tatsächlich ein Zeichen, dass die Faszination für elektronische Rechenmaschinen ihren Zenit überschritten hat. Für 2020 steht jedenfalls nicht nur ein Standortwechsel der Ars Electronica von der Postcity zur Johannes Kepler Universität an, sondern von 2. bis 17. Februar 2020 auch eine Ausstellung in Beijing unter dem Titel „40 years of humanizing technologies“.
Foto: Jürgen Grünwald