Wie sieht das Messedesign der Zukunft aus? Wird es eher mehr Standard- oder eher Individualstände geben? Welche Aufgaben wird der Messestand erfüllen müssen? Wie verändert der gesellschaftliche Trend zur Digitalisierung die Messebaukonzepte? Das waren einige der Fragen, denen in der aktuellen Studie des R.I.F.E.L. e.V. (Research Institute for Exhibition and Live-Communication e.V.) nachgegangen wurde und über deren Ergebnisse im Folgenden kurz berichtet werden soll.

Beeindruckende, ja geradezu opulente Auftritte von Unternehmen überraschen auf Messen und Ausstellungen und machen Marken für die Besucher greifbar. Design und Architektur spielen eine wichtige Rolle für den Erfolg dieser 3-D-Markeninszenierung, d. h. für die multisensuale Erlebbarkeit von Marken. Diese Überlegung war Ausgangspunkt für eine Studie zu Entwicklungstrends im Exhibition Design.

Die Basis der Studie bilden eine umfassende Sekundäranalyse, eine Fokusgruppendiskussion mit der Projektgruppe „Architektur“ des FAMAB e.V. sowie einzelne Experteninterviews. Die ­führenden Experten aus Agenturen mit Schwerpunkten im Bereich Architektur und Kommunikation brachten wichtige Erfahrungen, ihr Fachwissen und ihr Gespür für die Branche ein, sodass zukünftige Entwicklungen und Schwerpunkte diskutiert und hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Branche bewertet werden konnten.

Ganzheitlichkeit ist Trumpf

Kurz zusammengefasst, konnten folgende Entwicklungen im Bereich des Exhibition Designs identifiziert werden: Exhibition Designs müssen Kommunikationsarchitektur schaffen, d. h. Messekonzeptionen müssen mehr und mehr als Teil der Gesamtkommunikationsaufgabe verstanden werden, im Rahmen derer die architektonische Gestaltung des Messestands einen Baustein von vielen darstellt, um markenbezogene Kommunikationsziele zu erreichen. In diesem Sinne stehen nicht mehr die Begriffe Design und Architektur als eigenständige Tätigkeitsfelder im Vordergrund, sondern drücken sich in einem ganzheitlichen Kommunikationskonzept rund um die Marke aus.

Zielten Messeauftritte nach Überzeugung der Experten in der Vergangenheit häufig darauf ab, eine hohe Aufmerksamkeitswirkung über eine auffällige und außergewöhnliche Gestaltung zu erlangen, so schwächt sich diese Entwicklung zukünftig ab. An ihre Stelle treten smarte, inhaltstiefe und sehr durchdachte Konzeptionen. Der Fokus wird zunehmend darauf gerichtet, alle prägenden Elemente eines Messeauftritts mit dem Ziel der Markeninszenierung in Einklang zu bringen.

Eine erfolgreiche Inszenierung der Marke wird dabei durch eine stimmige Atmosphäre erreicht, die sich im Kern aus den vermittelten Inhalten im Zusammenspiel mit Architektur, Design, Medien und Menschen ergibt. Realismus, Bodenständigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Glaubwürdigkeit – vielleicht auch „Angemessenheit“ mit Blick auf Marke und Produkt – rücken in das Zentrum der Inszenierung von Räumen. (Siehe Foto: Atelier Damböck auf der EuroShop)

Markenidentität muss im Vordergrund stehen

Das Thema Effizienz spielt sowohl im Hinblick auf die Umsetzung von Gestaltungskonzepten als auch in der Kommunikation mit Besuchern zukünftig eine wachsende Rolle. In diesem Zusammenhang entsteht ein starkes Spannungsfeld zwischen Standardisierung und Individualisierung von Messeständen. Ein hoher Grad an Modularität bzw. Standardisierung wird insbesondere aufgrund immer kürzerer Aufbauzeiten und Kostenrestriktionen überall dort eingesetzt, wo es sinnvoll und „unsichtbar“ möglich erscheint. Dies betrifft beispielsweise statische Grundelemente oder klassische Funktionsbereiche. Auf der „Bühne“ zeigt sich dagegen immer ein hohes Maß an Individualisierung und Markenidentität.

Die Digitalisierung und die Möglichkeiten der Analyse großer Datenmengen eröffnen neue Optionen der Optimierung der Customer Journey auf der Messe. Zentraler Schwerpunkt liegt dabei in der Individualisierung von Informationen. Mediatektur statt Architektur bildet einen übergreifenden Trend und meint die mediale Inszenierung von Räumen, Formen und Informationen. Sie steht an der Schnittstelle zwischen Raum und Technologie und fokussiert den Einsatz multimedialer Werkzeuge. Mit ihr entstehen ­intelligente Möglichkeiten, komplexe ­Inhalte über den Einsatz unterschied­licher medialer Technologien darzustellen. Der Einsatz innovativer medialer Technologien ist deshalb auch auf Messen und Ausstellungen beinahe eine Standardanforderung, der über das Exhibition Design aufgegriffen und umgesetzt werden muss.

In diesem Zusammenhang ist es von großer Bedeutung, die Messebesucher über alle Messephasen hinweg digital zu begleiten. Über Plattformen, Apps oder Blogs wird die Kommunikation zwischen Ausstellern und Messebesuchern vor, während und nach der Messe gewährleistet. Der Messebesucher kann auf der Messe effizienter Kontakte knüpfen, und damit bleibt mehr Zeit für das besondere, einzigartige Erlebnis und die persönliche Kommunikation am Messestand.

Story-Telling hoch im Kurs

Auf dem Messestand werden Tablets, Apps, LED-Wände, Touch- und Multitouch-Anwendungen für interaktive ­Tische oder Wände, Hologramme, 3-D-Visualisierungen, aber vor allem Virtual Reality- und Augmented Reality-Anwendungen die Welt von Messen und Ausstellungen zukünftig immer stärker prägen. Ziel dieser Anwendungen ist, den aktuellen Zeitgeist zwischen Realität und Virtualität spürbar zu machen und Menschen in Marken- und Produktwelten eintauchen zu lassen und emotional zu binden.

Insbesondere virtuelle 3-D-Welten beeinflussen die Wahrnehmung der Umgebung und die Interaktion mit der Umwelt in hohem Maße. Es entstehen neue Perspektiven, die für die Betrachter „neue Wirklichkeiten“ entstehen lassen. Die Veränderung der Betrachtungsweise erfordert jedoch auch neue Anforderungen im Hinblick auf die Kommunikationsinhalte, d. h. eine neue Art des Geschichtenerzählens.

Die befragten Experten sehen die Bedeutung dieser Entwicklungen für die Branche sehr klar, warnen jedoch auch davor, die technologischen Möglichkeiten als Selbstzweck zu instrumentalisieren. Vielmehr ist es notwendig, sowohl branchen- als auch anwendungsspezifische Einsatzfelder und deren Besonderheiten zu berücksichtigen, um einen erfolgreichen Einsatz der Technologien zu ermöglichen.

Berufsbild im Wandel

Gute Anwendungsbeispiele finden sich überall dort, wo beispielsweise Produkt- und Markenwelten im besonderen Maße durch immersive Erlebnisse erfahrbar werden. Mit dem MagentaMusik 360 Karussell der Deutschen Telekom ­verschwimmen Grenzen von realer und virtueller Welt. Zwischen Kindheitserinnerungen und digitaler Welt erlebten die Besucher der IFA 2017 neue Produkt­welten einer Digital Lifestyle Brand.

Mit den zukünftigen Herausforderungen ist auch ein Wandel des Berufsbilds des Messedesigners verbunden. Die Experten der Diskussionsrunde beschreiben das zukünftige Berufsbild als Kommunikationsdesigner. Dabei wird die Intensität der Auseinandersetzung mit Kommunikationsinhalten und -zielen künftig einen sehr viel höheren Stellenwert einnehmen. Gerade diese markenbezogene, inhaltstiefe Arbeit verändert die Messearchi­tektur deutlich und verlangt auch die ­Beherrschung der Einbindung digitaler Technologien.

Weitere Informationen zur Studie unter www.rifel-institut.de

Foto: Messe Düsseldorf / ctillmann

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