Mit Elan begibt sich die größte Oldtimermesse Österreichs in das vierte Jahrzehnt ihres Bestehens. Den gesellschaftlichen Wandel hat sie gut gemeistert.

Zum 31. Mal hat die Tullner Oldtimermesse stattgefunden. Damit hat die Messe mittlerweile selbst das Oldtimeralter erreicht und sich zeitgemäß positionieren können. „Oldtimer“, das sind im deutschen Sprachgebrauch Fahrzeuge, die sich auf Grund ihres Alters aus dem Alltagsleben zurückgezogen und eine neue Bedeutung als technische Zeitzeugen erhalten haben. Im Englischen gibt es das Wort in diesem Kontext nicht, dort spricht man von „vintage“ oder „classic“. Noch mehr auf den deutschen Sprachraum begrenzt ist die etwas unglückliche Bezeichnung „Youngtimer“, die Fahrzeuge an der Schwelle zum Oldtimeralter beschreibt. Das können durchaus jüngere Mobile sein, die noch hin und wieder im normalen Straßenverkehr zu sehen sind. Auf der Oldtimermesse Tulln wurden solche Autos und Motorräder auf einer eigenen Standfläche präsentiert.  Für den Laien, der Oldtimer entweder als betagte Schnauferl aus der Gründerzeit des Automobils oder als teure Luxusmobile in Händen zahlungskräftiger Klientel kennt, ist die Materie ja etwas schwierig zu durchschauen.

Rost als ständiger Begleiter

Neil Young hat mit seinem 1979er Livealbum „Rust Never Sleeps“ das zentrale Motiv aller Oldtimerliebhaber treffend beschrieben: den ständigen Kampf gegen den Zerfall der Blechkarosserien unter Einwirkung von Wasser und Sauerstoff. Innerhalb normaler Nutzungsdauer kaum ein Problem, muss betagten Mobilen besonderes Augenmerk zuteil werden, sollen sie nicht den Weg alles Irdischen beschreiten. Ein ganzer Wirtschaftszweig ist über die Jahrzehnte entstanden, der sich der erfolgreichen Abwehr und Reparatur von Rostschäden widmet. Eine große Chance für kleinere Betriebe, die sich auf die Gegebenheiten alter Fahrzeuge spezialisiert haben. Auch Lehrbetriebe und HTLs haben das Potenzial erkannt und bilden zum Oldtimerexperten aus. Einige dieser Einrichtungen sind auch in Tulln vertreten gewesen, um ihr Bildungsangebot zu präsentieren. Somit schließt sich auch der Kreis zu weniger oldtimeraffinen Besuchern, denen selten der Aufwand bewusst ist, der hinter dem Erhalt betagter Gefährte steht. Für Oldtimereigner wiederum steht in Tulln ein reiches Angebot an Ersatzteilen zur Verfügung. Wer mit dem Erwerb eines Oldtimers liebäugelt, wird vielleicht im Freigelände fündig, wo zahlreiche Fahrzeuge feilgeboten werden.

Das Automobil im Wandel der Zeit

Seit seiner Erfindung Ende des 19. Jahrhunderts hat das Automobil viele Phasen durchschritten. Seine Hochblüte ist wohl vorbei, zumal die schädlichen Auswirkungen des Individualverkehrs deutlich zutagetreten. Ein neuer, sachlicher, Bezug zur Mobilität bestimmt große Teile der Bevölkerung. Die Faszination für alte Fahrzeuge ist hingegen ungebrochen. Während ältere Semester sich vergangener Tage erinnern oder ungewöhnlicher technischer Lösungen erfreuen, entdecken Digital Natives mit Oldtimern eine technische Wunderwelt, die weitgehend mechanisch funktioniert. Die urbane Kreativszene wiederum hat ein Faible für besonders nüchterne Familienkutschen der 1970er Jahre entwickelt. Und: der Frauenanteil in der stets männerlastigen Oldtimerszene wächst. Dazu trägt sicherlich auch bei, dass DIY, Erhalten und Reparieren gerade bei jungen Menschen wieder einen hohen Stellenwert einnehmen, nicht zuletzt vor dem Hintergrund wachsenden Umweltbewusstseins. Als Kontrapunkt zur Wegwerfgesellschaft eignen sich Oldtimer natürlich hevorragend, zumal diese Fahrzeuge ihres einfachen Aufbaus wegen gut geeignet sind, selbst Hand anzulegen und neue handwerkliche Erfahrungen zu sammeln. Um die Zukunft des Oldtimerhobbys und damit auch der Oldtimermessen muss man sich also keine Sorgen machen.

Foto: Robert Heininger

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