Bis 6. November 2022 besteht noch die Chance, dem Wiener Repair-Festival beizuwohnen. Dessen Ansinnen besteht darin, Wege aus der Wegwerfgesellschaft aufzuzeigen.

So bitter Coronapandemie und Ukraine-Krieg auch sein mögen, sie haben gezeigt, wie abhängig und verwundbar das Wirtschafts- und Konsummodell der wohlhabenden Weltgegenden ist. Sei es in Form gebrochener Lieferketten oder eines Engpasses an Energieträgern, stets wird offensichtlich, worauf bisher kaum jemand geachtet hat: rigoroses Outsourcing, Just-in-Time-Produktion und knappe Kalkulation bergen substanzielle Gefahren. Kommt dazu das wachsende Bewusstsein für die negativen Auswirkungen des Anthropozäns nebst allfällige andere Verfallserscheinungen, wird klar, dass ein strukturelles Umdenken stattfinden muss. Ein Lösungsansatz besteht darin, mit irdischen und menschlichen Ressourcen bewusster umzugehen. Darüber zu informieren, aber auch praktische Leitfäden zu präsentieren, hat sich das dreiwöchige Repair-Festival Wien zum Ziel gesetzt.

DIY und Wabi-Sabi

Beim Studium des vielfältigen Programms tut sich sofort eine Erkenntnis auf: was noch vor zwanzig Jahren als weltfremde Gegenkultur klassifiziert worden wäre, ist längst in den gesellschaftlichen Mainstream eingekehrt. Schon Lifestyle-Phänomene wie Hygge haben gezeigt, dass die hyperaktive Konsumwelt zu Ermüdungserscheinungen führt und zu einem Weltbild, das mehr von der Suche nach Harmonieempfinden und sensiblem Umgang geprägt ist als von der brutalen Leistungsgesellschaft, die seit den 1990er Jahren vorherrscht. Jüngere Menschen sind heute weitaus offener für alternative Lebensmodelle, und sie beginnen sich für Hintergründe zu interessieren. Gleichsam als Kontrapunkt zu der oberflächlichen und stressgeprägten Konsumwelt, mit und in der sie aufgewachsen sind. So bildet sich in einem Konglomerat an Eindrücken ein Bewusstsein heraus, achtsamer mit sich selbst und mit der Umwelt umzugehen. Wohlwissend, dass die Ressourcen nicht endlos vorhanden sind.

Hilfe zur Selbsthilfe

In einer Welt, die zunehmend von Computernetzwerken kontrolliert wird, deren wahres Wirken selbst Fachleuten verborgen bleibt, wächst auch der Wunsch nach Eigenermächtigung. Warum also nicht die Hintergründe verstehen lernen und selbst Hand anlegen? Genau das ist der Punkt, an dem das Repair-Festival Wien ansetzt. In zahlreichen Veranstaltungen, als deren Hub das altehrwürdige Volkskundemuseum fungiert, wird dem geneigten Publikum Anregung und Unterstützung geboten, den Produkten der Warenwelt mehr Aufmerksamkeit zu widmen.

Die Bandbreite reicht dabei von einem Vortrag über das ästhetische Prinzip Wabi-Sabi, welches im Japan des 16. Jahrhunderts entstanden ist und dem genuinen Erscheinen mehr Wert beimisst als dem künstlich-optimierten Trugbild, über Workshops im Makerspace Happylab und Hands-On-Trainings vor Ort bis hin zu Filmvorführungen im Kino am Spittelberg. Als zentrales Motto bietet sich „Kultur der Reparatur“ an, der Titel eines Buches von Wolfgang M. Heckl, seines Zeichens Generaldirektor des Deutschen Museums in München. Der Autor wird am Sonntag, 30. November 2022, ab 11 Uhr einen Vortrag im Volkskundemuseum halten. Der Eintritt dazu ist frei, Anmeldung dennoch erbeten.

Foto: Kollektiv Fischka Stefanie Freynschlag

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