Allen Akteuren der Veranstaltungsbranche war klar, dass es nach der Corona-Pandemie kein einfaches Weiter-wie-vor-der-Krise geben wird. Doch wie stellt sich die Situation zum Re-Start der Branche nun tatsächlich dar? Vor welchen neuen Herausforderungen die Branche steht, war die Frage, die in der Studie Re-Start 2022 des Branchenforschungsinstituts R.I.F.E.L. e. V. (Research Institute for Exhibition and Live-Communication) untersucht wurde. 

Ausgangspunkt der Studie waren die Meldungen aus der Veranstaltungswirtschaft, dass sich das Live-Event- und Messejahr infolge der Verunsicherung der Veranstalter bezüglich der Pandemielage in den Wintermonaten 2022/2023 und auch in den Folgejahren wohl von ursprünglich zwölf Monaten auf sechs bis maximal neun Monate verkürzen wird. Hinzu kommen die insgesamt veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die zu einer deutlichen Teuerungswelle in allen Bereichen und demgemäß natürlich auch in der Veranstaltungswirtschaft führen. Die vor diesem Hintergrund entwickelte Blitzumfrage des fwd: Bundesverband Veranstaltungswirtschaft zu den Herausforderungen der Branche beim Re-Start Anfang März 2022 traf deshalb bei den befragten Branchenvertretern in Deutschlands erwartungsgemäß auf eine große Resonanz. Insgesamt konnten die Antworten von 422 Branchenvertretern ausgewertet werden, die eine ausgewogene Verteilung über die zehn Branchencluster (Technikdienstleister, Architektur, Messebau, Event/Gastronomie, Infrastruktur, Entertainment, Location, Theater/Schauspiel, Schausteller, IT-Dienstleister) und die deutschen Bundesländer aufweisen.

In einem ersten Schwerpunkt werden mit der Studie die Umsatzverluste infolge der Corona-Pandemie sichtbar gemacht. Es zeigen sich deutliche Verluste in den ­beiden Corona-Jahren. Für die Gesamt­branche liegen die Umsatzverluste im Vergleich zu 2019 bei 59,9 % im Jahr 2020, wobei Q1 ein normales Geschäft hatte, und bei 63,2 % im Jahr 2021. Überdurchschnittlich stark betroffen sind die Bereiche Event-Gastronomie, Infrastruktur, Locations und die Schausteller im Jahr 2020/21 und der Messebau im Jahr 2021. Sehr starke Umsatzverluste zeigen sich bei kleineren Unternehmen bis 30 Beschäftigte. Die regionale Betroffenheit ist im Osten und Nordwesten Deutschlands am größten. 

Die Verkürzung des Event- und Messe­jahres macht sich in einer stark schwankenden Kapazitätsauslastung bei den Unternehmen bemerkbar. Nach einer sehr geringen Kapazitätsauslastung in Q1 2022 (26,1–41,4 %) findet eine deutliche Steigerung der Kapazitätsauslastung in der Branche ab April 2022 statt. Als Monate mit der höchsten Auslastung werden Mai, Juni und September erwartet. Die Auslastung liegt in einzelnen Bereichen wie Event-Gastronomie, Messebau oder Infrastruktur und bei mittelgroßen Unternehmen (31–100 Beschäftigte) bei 100 % und mehr. Ab Oktober wird ein deutlicher Abfall der Kapazitätsauslastung erwartet. Diese Entwicklung stellt eine große He­rausforderung für die Personal- und Ressourcenplanung der Unternehmen in der Veranstaltungsbranche dar.

Die finanzielle Lage der Unternehmen hat sich als Folge der Corona-Pandemie deutlich verschlechtert und es zeichnen sich Schwierigkeiten bei der externen ­Finanzierung ab. Der Eigenkapitalanteil der Unternehmen der Veranstaltungswirtschaft ist im Durchschnitt von 50,2 % im Jahr 2019 auf 37,8 % im Jahr 2021 gesunken. Die Unternehmen verfügten damit 2021 durchschnittlich über rund 330.000 Euro weniger Eigenkapital als vor der Pandemie. Die Liquiditätsreserven der Unternehmen sind 2021 um fast 44 % geschmolzen und über die Hälfte der befragten Unternehmen (52,8 %) benötigen externe Finanzmittel, um den Re-Start 2022 zu bewältigen. Allerdings befürchten viele Unternehmen, dass sie die notwendigen liquiden Mittel extern nicht erhalten werden, da sich das Ranking/Rating sowohl bei der Hausbank als auch bei ex­ternen Finanzdienstleistern massiv verschlechtert hat. Fast einem Viertel der Unternehmen wurden bereits Kredite für notwendige Investitionen und Leasingvorhaben aufgrund des schlechten Rankings/Ratings verwehrt.

Besonders dramatisch stellt sich beim Re-Start 2022 die Fachkräftesituation für die Veranstaltungsbranche dar. Die Branche hat im Zuge der Corona-Pandemie einen kräftigen Fachkräfteverlust erlitten. Circa ein Viertel der Unternehmen hat über 50 % der Fachkräfte verloren. Besonders stark betroffen sind die Kleinstunternehmen (1–5 Beschäftigte), von denen fast die Hälfte mit starken Fachkräfteverlusten von teilweise über 50 % zu kämpfen hat. Aber auch bei den kleinen und mittelgroßen Unternehmen (6–100 Beschäftigte) liegt der Fachkräfteverlust bei der Hälfte der Unternehmen bei über 10 %. Von den Bereichen verzeichnen die Event-Gastronomie und die Infrastruktur den stärksten Fachkräfteschwund. Folglich besteht bei über drei Viertel der befragten Unternehmen der Veranstaltungsbranche (78,5 %) in der Re-Start-Phase der Bedarf zur Neueinstellung von Fachkräften. Über 5 % der Unternehmen suchen sogar mehr als 20 neue Fachkräfte. Über alle Unternehmensgrößen hinweg besteht bei den Agenturen der größte Personalbedarf bei der Projektleitung sowohl analog als auch digital, im Messebau, bei der Produktion (Handwerk) und bei den Technikdienstleistern in der Produktion bei der Veranstaltungstechnik. 

Die Verfügbarkeit neuer Fachkräfte und Ressourcen auf dem Beschaffungsmarkt wird insbesondere in den Bereichen „Freie Mitarbeit“ für Aufbau, Messestand, Stage usw., Handwerk (Schreiner, Metallbau, Elektriker usw.), Projektmitarbeit sowie Kreation, Planung und Projektleitung eingeschränkt bis kritisch gesehen. Bei den Ressourcen betrifft dies vor allem Holz und Bodenbelag sowie Energie.

Eine große Herausforderung stellen für die Veranstaltungsbranche die Inflation und die anhaltend steigenden Preise für Personal und Ressourcen dar. Innerhalb der letzten 18 Monate haben die Unternehmen bedeutende Preissteigerungen auf dem Beschaffungsmarkt festgestellt. Am stärksten gestiegen sind die Preise für das Material von Holzkon­struktionen (50,3 %), von Holzbodenbelag (45,4 %) und Energie (36,2 %). Im Personalbereich sind die Kosten besonders stark gestiegen für „Freie Mitarbeiter“ für Kreation, Planung, Projektleitung (33,3 %) und „Freie Mitarbeiter“ für Aufbau, Messestand, Stage usw. (33,2 %). Bei den so dringend gesuchten Neueinstellungen eigener Mitarbeiter müssen die Veranstaltungsunternehmen im Durchschnitt circa 20 % mehr einplanen. Regional besonders betroffen von den Preissteigerungen auf dem Beschaffungsmarkt sind Berlin und die Region Ost.

Insgesamt zeigt die Re-Start-Studie 2022 auf, vor welchen großen wirtschaftlichen Herausforderungen die Veranstaltungsbranche steht. Notwendig ist nun die Diskussion in zwei Richtungen. Zum einen muss der Dialog mit der Politik um weitere Unterstützung und der Gesellschaft um Verständnis beispielsweise für notwendige Preiserhöhungen weiterentwickelt werden. Zum anderen müssen diese aktuellen Preissteigerungen bei Ressourcen und Personal auch von den Auftraggebern der Veranstaltungsbranche akzeptiert werden und Eingang in die Veranstaltungskalkulation finden.

Die komplette Studie ist zum Download verfügbar unter: www.rifel-institut.de

Foto: R.I.F.E.L. e. V.

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