Software zur Audioaufnahme und -bearbeitung zählt zu den Standardtools der Kreativ-, Kunst- und Veranstaltungsszene. Wir werfen einen Blick auf das aktuelle Angebot.

Manche Dinge sind mittlerweile so selbstverständlich, dass sie gar nicht mehr bewusst wahrgenommen werden. So etwa die endlos scheinenden Möglichkeiten, digitalisierte Inhalte zu bearbeiten. Neben altbekannten DAW-Klassikern wie Protools, Logic und Cubase/Nuendo/Wavelab, die seit Jahrzehnten nach dem Motto „Evolution statt Revolution“ weiterentwickelt werden, gibt es eine ganze Reihe vielversprechender Lösungen, deren Licht nicht immer an die breite Öffentlichkeit dringt. Diese sollen an dieser Stelle vorgestellt werden. Oftmals bieten sie innovative Lösungen, unterstützen Open-Source-Software oder sind manchmal sogar kostenfrei erhältlich. Nicht immer ist größtmögliche Fülle an Features ein Kriterium bei der Wahl des richtigen Werkzeugs. Sehr wohl kann aber die unterstützte Rechnerarchitektur eine Rolle spielen. So ist das ehemalige Emagic-Produkt Logic seit der Übernahme durch Apple Mitte der Nullerjahre nur noch für Apple-Produkte erhältlich, Cakewalk wiederum nur für Windows.

Ableton Live

Das Unternehmen Ableton ist um die Millenniumswende gegründet worden und hat schon mit Live Version 1 eine zusätzliche samplebasierte Ansicht der Aufnahmen eingeführt, welche zum Markenzeichen geworden und von vielen anderen DAWs übernommen worden ist. Im Laufe der Zeit ist ein ganzes Portfolio an Peripheriegeräten und virtuellen Klangerzeugern hinzugekommen, sodass die aktuelle Version 11 eine ausgereifte und sehr intuitive Gesamtlösung für alle Eventualitäten anbietet. Wer mit der samplebasierten Ansicht fremdelt, kann mit einem Mausklick zur klassischen timelinebasierten Ansicht wechseln. Selbst komplexe Audiobearbeitung ist kein Problem für Live, sodass sich der Anwenderkreis vom DJ bis zum Blogger erstreckt. 

Bitwig Studio

Bitwig ist ein relativ junges Unternehmen, das von ehemaligen Ableton-Mitarbeitern gegründet worden ist. Das sieht man der DAW namens Studio an, denn ähnlich wie Ableton Live verfügt auch Bitwig Studio über eine samplerartige Oberfläche, die sich blitzschnell in eine klassische Ansicht umschalten lässt. Trotzdem bringt Studio eine ganze Reihe eigenständiger Eigenschaften mit und liefert jede Menge Ausgangsmaterial für Klangexperimente und spektakuläre Effekte gleich mit. Außerdem ist Studio von Anfang an auf allen wichtigen PC-Plattformen lauffähig gewesen, also nicht nur auf kommerziellen Betriebssystemen wie Windows und Mac OS, sondern auch auf GNU/Linux. Als Grundlage für die Linux-Variante bietet sich die exzellente Distribution Ubuntu Studio an, die bereits alles mitbringt, was man für kreative Arbeit benötigt.

FL Studio

FL Studio ist Nachfolger der legendären Sequencer-Software Fruity Loops, die sich in den 1990er-Jahren großer Beliebtheit erfreute. Der Grund ist leicht zu erklären: Fruity Loops ist eines der einsteigerfreundlichsten Audio-Programme gewesen und auch FL Studio kann getrost als niederschwelliges Angebot bezeichnet werden. Neben dem Einsatz als Stand­alone-Software kommt auch in Betracht, FL Studio als VST- oder AU-Plug-in innerhalb einer anderen Audiosoftware zu betreiben. Zudem gibt es mittlerweile Versionen für Smartphones und Tablets mit iOS- und Android-Betriebssystem. Trotz aller Neuerungen lässt sich FL Studio auch als ganz normale DAW betreiben, und das mit geringem Einsatz. Der Kaufpreis beinhaltet nämlich lebenslang kostenfreie Updates. 

PreSonus Studio One

Studio One ist die Software-DAW des traditionsreichen Studio- und Bühnenausrüsters PreSonus, der kürzlich von Fender übernommen worden ist. Die langjährige Erfahrung mit professioneller Hardware ist dem Produkt deutlich anzumerken, denn Studio One begeistert im Detail mit sehr logischer und friktionsfreier Benutzerführung. In diesem Punkt ist Studio One den Marktführern ebenbürtig. Als Referenz mag dienen, dass Studio One auf eine Entwicklung ehemaliger Steinberg-Mitarbeiter zurückgeht. Grafische Gimmicks an der Benutzeroberfläche leistet sich Studio One auch in der aktuellen Version 6 nicht, dafür lässt sich nahezu die gesamte Bedienstruktur auf die eigenen Bedürfnisse abstimmen. Bleibt zu hoffen, dass dies unter dem neuen Eigentümer Fender so bleibt.

Reason Studios Reason

Die schwedischen Entwickler von Reason Studios firmierten früher als Propellerhead und sind seit Mitte der 1990er-Jahre mit liebevollen virtuellen Nachbauten analoger Instrumente und Studiogeräte bekannt geworden. Besonders augenfällig wird die Faszination für Vintage-Elektronik bei der Gestaltung der Programm­oberfläche von Reason, die den zeitgenössischen Charme gut einfängt. Alte Studio-Cracks dürften sich also schnell zurechtfinden, völlige Einsteiger hingegen weniger. Davon abgesehen bietet ­Reason in der aktuellen Version 12 alles, was auch die Konkurrenzprodukte mitbringen, nur eben mit einem gewissen Schwerpunkt auf fortgeschrittenes Sounddesign. Neben der Standalone-Lösung ist Reason auch als Plug-in erhältlich und kann so in bestehende Setups integriert werden. 

Bandlab Cakewalk

Cakewalk, der gleichnamige Hersteller der traditionsreichen DAW-Software, ist 2013 von Branchenmulti Gibson übernommen und wenige Jahre danach ins Aus geschickt worden. Ein Schicksal, das vielen ähnlichen Firmen in gleicher Weise widerfahren ist. Die exzellente und vor allem in den USA sehr beliebte Software ist heute im Besitz der Firma BandLab mit Sitz in Singapur, die wiederum zum globalen Investor Caldecott gehört und idealerweise jeden Aspekt der musikalischen Wertschöpfungskette abdecken will. So ist Cakewalk mittlerweile in der Nische eines gewaltigen Portfolios angesiedelt und soll dem Ganzen professionelles Flair verleihen. Dafür wird das einstige Software-Flaggschiff sogar verschenkt und kann kostenlos von der Website geladen werden. Bislang haben die neuen Verhältnisse dem Produkt nicht geschadet, somit steht einem risikolosen Test nichts im Wege, sofern man Windows verwendet.

Audacity

Der Audio-Editor Audacity ist neben Firefox, Thunderbird und VLC wohl die populärste Open-Source-Software und wird von den meisten Linux-Distributionen als Standardanwendung mitinstalliert. Audacity ist aber auch für Windows und Mac OS kostenfrei erhältlich und steht ähnlicher Software wie Steinbergs Wavelab in nichts nach. Somit fühlen sich auch professionelle Anwender keineswegs eingeschränkt, zumal Audacity durch Schlichtheit begeistert und in der Anwendung kaum Wünsche offen lässt. Im Grunde das ideale Werkzeug, um zwischendurch Audioaufnahmen zu schneiden und zu verbessern. Das geht auch ­unterwegs sehr gut, zumal Audacity mit wenig Rechenressourcen auskommt und somit die Akkuleistung von Mobilrechnern nicht unnötig strapaziert. Ein rundum gelungenes Produkt, das sich vor der kommerziellen Konkurrenz nicht verstecken muss.

Foto: Steinberg

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