Trotz zahlreicher neuer Regeln und Lockerungen seitens der Kulturpolitik stehen Veranstalter vor der Frage, wie sie das Programm der kommenden Monate gestalten sollen.

Messe&Event hat sich unter Veranstaltern umgehört und zahlreiche Strategien kennengelernt, wie man sich der aktuellen Situation stellen kann. Für die Niederösterreichische Kulturwirtschaft GesmbH, kurz NÖKU, hat ihr Kaufmännischer Geschäftsführer Magister Albrecht Grossberger unsere Fragen in einem zweiteiligen Interview beantwortet. Die NÖKU ist ein Zusammenschluss zahlreicher bedeutender kultureller Institutionen vom Festival Grafenegg über das Nitsch-Museum, Kunsthalle Krems und Museum Gugging bis hin zum Donaufestival.

Albrecht Grossberger, Kaufmännischer Geschäftsführer NÖKU © Sascha Osaka

Messe&Event: Ausgangsbeschränkungen, Veranstaltungsverbot, Mindestabstandsregeln: in unseren Breitengraden ungewohnte Erscheinungen. Bislang ist bei der Coronapandemie von einem „Black Swan“ die Rede, also einem höchst ungewöhnlichen Ereignis. Wird man diese Ansicht revidieren müssen, wird also aus dem schwarzen Schwan ein Grauer oder gar Weißer?

Albrecht Grossberger: Es ist jedenfalls eine sehr außergewöhnliche und fordernde Situation, in der wir seit Beginn des Lockdown mehr oder weniger auf Sicht fahren. Die gesetzlichen Grundlagen, Verordnungen und sonstigen behördlichen Auflagen sind einerseits oftmals sehr interpretationsbedürftig oder unklar und ändern sich andererseits dermaßen rasch, dass man kaum mehr nachkommt.

Sie als Verbund niederösterreichischer Kulturinstitutionen sind von den aktuellen Maßnahmen gleich in mehrfacher Hinsicht betroffen. Kinos und Museen dürfen unter Auflagen wieder öffnen, größere Indoorveranstaltungen jedoch nur unter strengen Auflagen und mit bestuhltem Publikumsraum. Ein Konzept, das für Veranstaltungen wie das Donaufestival nicht in Frage kommt. Wie gehen Sie damit um?

So sehr es in normalen Zeiten unsere vorrangige Aufgabe ist, möglichst viele und intensive Begegnungen einerseits mit Kunst, Kultur und Wissenschaft, und andererseits mit anderen Gästen zu ermöglichen, so war es zu Beginn des Lockdown ganz klar unsere gesellschaftliche Verantwortung, ebenfalls die Anzahl der sozialen Kontakte in jeder Hinsicht massivst zu reduzieren bzw. einzustellen. Es fällt natürlich verdammt schwer, Festivals völlig abzusagen, und fertig gestaltete und aufgebaute Ausstellungen nicht zu eröffnen. In der Tat ist es so, dass auch unter den gelockerten Rahmenbedingungen ein Donaufestival noch immer nicht stattfinden kann. Hier überlegen wir gemeinsam intensiv, welche Lösungsansätze es geben könnte, ohne das Festival völlig zu verändern, um nicht zu sagen zu amputieren. Noch haben wir keine gangbare Lösung gefunden. In allen anderen Bereichen haben wir zwischenzeitlich ganz gute Wege gefunden, um unsere Inhalte unter Einhaltung größtmöglicher Sicherheitsstandards wieder an unser Publikum heranzutragen.

Lässt sich mit den aktuellen Vorgaben überhaupt vernünftig planen? Schließlich beinhalten sie einen möglichen Widerruf, sollten die Infektionsraten wieder steigen.

Es ist zwar nicht einfach, aber in den meisten Fällen kann man schon einigermaßen planen. Hier haben wir sicher in der NÖKU-Gruppe den Vorteil, dass nicht jeder einzelne Betrieb alle Sicherheitsmaßnahmen einzeln planen muss. Natürlich hoffen wir, dass unsere Bemühungen nicht umsonst sind. Aber wenn noch einmal ein Lockdown kommt, dann ist es eben so. Das gesamtgesundheitliche Interesse steht wohl aktuell über jedem Einzelinteresse.

Wie könnten die langfristigen Folgen für die Kulturlandschaft aussehen? Werden Menschen weniger geneigt sein, Liveveranstaltungen zu besuchen? Setzt sich am Ende womöglich die virtuelle Erlebniswelt durch?

Menschen – und davon sind wir ganz stark überzeugt – brennen auf analoge, physische und unwiederbringliche Live-Veranstaltungen und Begegnungen. Die digitalen Angebote der Kulturszene gerade zu Beginn des Lockdown waren sicher gut und richtig. Aber ersetzen können diese einen künstlerischen Echtbetrieb niemals.

Zahlreiche Veranstalter experimentieren mit Konzepten, die aus ihrer Sicht ausfallssicher sind. Die Bandbreite reicht von interaktiven Veranstaltungen im WWW bis hin zu Drive-In-Konzerten. Sehen Sie darin Möglichkeiten, zusätzliche Standbeine aufzubauen, oder lohnt es sich Ihrer Meinung nach eher, am gewohnten Konzept festzuhalten?

An welchen Konzepten wir sinnvollerweise festhalten können und welche Konzepte wir adaptieren oder gar über Bord werfen müssen, wird erst die Zukunft zeigen. Gerade in der näheren Zukunft, wo die Pandemie noch nicht ausgestanden sein wird, wird es sicher wenig Sinn machen, zum Beispiel Programmierungen mit rein internationalen/transkontinentalen Line-Ups vorzunehmen, weil international Anreisen sicher problematisch sein werden. Das ist auch vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit zunehmend zu hinterfragen. Dem steht sicher entgegen, dass wir unsere Weltoffenheit nicht aufgeben wollen.

Lesen Sie Teil 2 des Interviews in Kürze auf Messe&Event Online!

Foto: Sascha Osaka, Glatt&Verkehrt

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