Der US-amerikanische IT-Fachverlag O’Reilly gibt bekannt, seine beliebten Tech-Konferenzen einstellen zu wollen. Als Grund wird genannt, die Planung künftiger Veranstaltungen sei angesichts der globalen Coronakrise nicht mehr möglich.

Vor mehr als 40 Jahren gegründet, zählt der Fachverlag O’Reilly zu den wichtigsten Begleitern des Internets vom Avantgarde-Medium zum alltäglichen Mainstream. Alle technischen und gesellschaftlichen Neuerungen in Zusammenhang mit dem WWW sind in Form unzähliger Publikationen kommentiert und weitergegeben worden. Auch die erste kommerzielle Webseite namens „Global Network Navigator“ ist 1993 von O’Reilly Media gestartet und im Zuge des florierenden Dotcom-Booms zwei Jahre später an AOL verkauft worden.

Der Ruf des Expertentums in Programmierung, Datenbankwesen, Machine Learning und E-Commerce eilt O’Reilly seit jeher voraus und sorgt für einen hohen Bekanntheitsgrad in der IT-Branche. Wichtiger Bestandteil des Unternehmens sind die Trainings und Events zu aktuellen IT-Themen wie Big Data, Künstliche Intelligenz (KI) oder Open Source, die über die ganze Welt verstreut stattfinden.

Corona als Beschleuniger

Überraschend daher, dass O’Reillys Chefin Laura Baldwin nun verkündet, nach gegenwärtiger Lage keine Live-Events mehr durchführen zu wollen. Dieser Entschluss erfolgt vor dem Hintergrund der angespannten wirtschaftlichen Lage, in der sich die gesamte Branche seit Beginn der Corona-Pandemie befindet. Weltweit müssen große IT-Messen wie zuletzt der Mobile World Congress in Barcelona abgesagt werden, mit ungewissem Ausgang für die gesamte Messelandschaft.

Selbst Traditionsveranstaltungen sind nicht mehr sicher, ob der bisherige Aufwand in den kommenden Jahren reichen wird, oder ob der lange prognostizierte Trend zu virtuellen Veranstaltungen nun endgültig konventionelle Begegnungen verdrängen wird. Umso mehr, als sich das globale wirtschaftliche Umfeld deutlich eintrüben und somit Auslöser für kostengünstige Event-Formen sein könnte. Angesichts der Tatsache, dass die „Strata Data“-Konferenzen in Kalifornien und London bereits abgesagt werden mussten, scheint O’Reillys Schritt nachvollziehbar und könnte Vorbildcharakter für andere Veranstalter haben.

Online statt live

Für einen IT-Fachverlag scheint der Schritt zur reinen Onlinepräsenz naheliegend, obwohl die Live-Konferenzen gerade wegen des Zusammentreffens mit anderen Menschen so beliebt sind. Speziell die Networkingrunden im Rahmen der Vorträge hochkarätiger Expertinnen und Experten sind für viele Besucher Grund gewesen, die O’Reilly-Konferenzen im Kalender vorzumerken. Wie dieses wichtige Element in die Onlinewelt übersetzt werden kann, bleibt offen. Völlig aufgeben will O’Reilly die Konferenzen aber nicht. Dazu sind sie auch viel zu gut am Markt eingeführt und populär.

Das Kerngeschäft soll zukünftig aber rein digital sein, was nicht nur die Events betrifft, sondern auch die Publikationen. Vielleicht erfolgt solch ein harter Bruch mit der Vergangenheit gerade jetzt zur richtigen Zeit, zumal die kommenden Jahre grundlegende Veränderungen bringen werden. Ein wachsender Teil der Bevölkerung freundet sich notgedrungen gerade mit Online-Lösungen an. Womöglich liegt also die Zukunft des Messegeschehens im WWW, die Zeit wird es weisen.

Fotos: O’Reilly Media

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