Ein Messestand ist ein Erlebnisraum, der – ganzheitlich betrachtet – viele Möglichkeiten bietet. Normalerweise spielt sich das Standgeschehen überwiegend im unteren Bereich ab, der dann nicht mehr wahrgenommen werden kann, wenn zu viele Besucher den Blick und das Standgeschehen versperren. Was liegt da näher, als den oberen Teil des Stands auch zu beleben, ihn zu einem Raumerlebnis mit großer Fernwirkung werden zu lassen? 

Bei der Mehrzahl der Messestände sind in diesem Bereich textile Blenden oder Banner mit Fotos, Slogans oder Logos anzutreffen. Seltener werden Pflanzen eingesetzt oder luftige Formen wie Ballons oder Wolkenelemente, um die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich zu ziehen. 

Belebung durch Produkte

Besonders sinnvoll ist, wenn die Abhängung einen Bezug zum ausgestellten Produkt herstellt. Das lässt sich auch in stilisierter Form erreichen, wie das Beispiel des Fliesenverbands zeigt, bei dem die Quadratform der Fliese im abgehängten Lichtkubus aufgegriffen wurde, um einen weithin sichtbaren Blickfang zu schaffen. Die Strenge des Stands signalisiert zudem, dass es hier eine Verbindung des Produkts zur Architektur oder zum Designbereich gibt. 

Viele Unternehmen stellen Produkte her, die einzeln ausgestellt nicht aussagekräftig sind, die die Ausgangsbasis für ein neues ­Produkt darstellen und in einem anderen Zusammenhang überhaupt erst in ihrer Anwendung erkannt, ja zum Leben ­erweckt werden. 

Der britische Hersteller von Polsterstoffen, Camira, wollte darauf aufmerksam ­machen, wofür seine Stoffe eingesetzt werden: für Fahrzeuge. Die schwebende großformatige Produktinszenierung machte den Standraum als lebendigen Raum erfahrbar und erinnerte damit schon an eine künstlerische Installation. 

Für den schwedischen Stoffhersteller ­Bolon gingen die chinesischen Stand­architekten ganz andere Wege. Der Stand sollte die Landschaft aufgreifen, in der sich das Unternehmen befindet. „Wenn man sich den Kontext ansieht, in dem sich Bolon befindet, ist die Idee der Landschaft von größter Bedeutung. Die Vorstellung von Landschaft als Raum“, sagte Architekt Hu. Somit wurde der Stand zu einer Art Wald aus Baumröhren. Dem ­Architekten war wichtig, für die wenigen Momente, die ein Besucher auf der Messe ist, etwas über das Unternehmen zu erzählen, über seine Geschichte, die Herstellung und das Know-how.

Von der Produktpräsentation zur Installation 

Dass eine abgehängte Produktpräsen­tation durchaus zu einer künstlerischen Installation werden kann, zeigt das ­Beispiel des Prager Herstellers Preciosa Lighting für Beleuchtungsprodukte aus böhmischem Kristallglas. Der mit einer Arkadenstruktur eingerahmte Messestand überraschte im Inneren mit drei großen Lichtinstallationen mit spielerischem Charakter. Im Zentrum des Stands ließen wellenförmige, dicht aneinandergereihte Lichterketten etwas Zauberhaftes ver­muten, das an die Erlebniswelt eines Jahrmarkts erinnerte. Die Perlenstruktur assoziierte Kostbarkeit und Schmuck. Das „Carousel of Light“ war wie eine eigenständige Skulptur, eine Architektur, deren Bedeutung und Möglichkeiten man als Besucher erst allmählich erfassen konnte, wenn man die sich leicht drehende Plattform betrat und bei jeder Bewegung im Stand oder auf dem Pferd sitzend erleben konnte, wie sich das Licht der Lichter­ketten veränderte. Eine Produktinszenierung und Installation, in die der Besucher eingebunden wurde. 

Raumbildendes Logo

Erstmalig präsentierten sich die deutschen Fliesenhersteller gemeinschaftlich unter der Flagge der Qualitätsinitiative „Deutsche Fliese“ auf einem minimalistischen Stand, der vor allem Planer, Innenarchitekten und Architekten ansprechen sollte. Unter dem Motto „Keramik ist ein Material mit Zukunft“ wurden Werte der Fliese wie Vielfalt, Design, Wertigkeit, Qualität, Format, Wärme, Nähe, Erfolg und Präzision auf den Messestand übertragen. Eine aus dem Sortiment der Mitglieds­firmen zusammengestellte Material­bibliothek in einer langen, rot gefliesten Infotheke repräsentierte mit 130 Fliesen die Vielfalt des aktuellen Fliesendesigns. Grundelemente des Stands waren drei sich überlagernde Quadrate, aus denen sich das Logo zusammensetzt, mit den Farben der deutschen Flagge. Blickfang aber war der gelb leuchtende abgehängte Kubus über der Besprechungszone, der die Quadratform der Fliese in 3D übersetzte. 

  • Aussteller: Bundesverband Keramischer Fliesen e.V, Berlin
  • Messe: BAU, München 2019
  • Design: kohlhaas * partner, Germering 
  • Standbau: kohlhaas 
  • Standgröße: 45 m2

Teppich-Wald

Der Stand für den schwedischen ­Textilhersteller von Vinylbodenbelägen für Büros, Arztpraxen, Universitäten, Showrooms, Messen etc. sollte in seiner ­Einfachheit eine Brücke zwischen Asien (Designer-Land) und Skandinavien schlagen. Gestalterisch erinnerte er durch die abgehängten Röhren und die warmen Farben von Holz und Stein an einen skandinavischen Wald, inspiriert durch einen Wald in der Nähe der Bolon-Fabrik, der auf dem Stand aus großen Hängeschläuchen bestand, die mit dem gewebten ­Vinylboden umwickelt waren. Sie erinnerten an die riesigen Rollen der Bolon-Weberei, in der die Vinylgewebe auf Schaft- und Jacquard-Webstühlen her­gestellt werden. 

  • Aussteller: Bolon, Ulricehamn/Scheden
  • Messe: Stockholm Furniture and Light Fair
  • Designer: Neri&Hu, Schanghai
  • Standbau: Bolon
  • Standgröße: 65 m2

CAMIRA 

Camira ist ein britischer Hersteller von Stoffen für Möbel, Paneele und Sitze für die Fahrgastbeförderung in Bussen und Zügen. Die alle zwei Jahre stattfindende Busworld, weltweit die größte Messe für Busse und Reisebusse, ist geprägt von ­riesigen, technisch orientierten Ständen. Mit diesem kleinen Stand und seiner ­ungewöhnlichen Produktpräsentation wurde eine ungewöhnliche und wertige Oase inmitten dieser Messelandschaft ­geschaffen. Inspiriert durch die Räder und Reifen des Straßenverkehrs füllten stoffbezogene Reifen tänzerisch den oberen Teil des Stands und zeigten zugleich neue Kombinationsmöglichkeiten der neuen Stoffkollektion. Im Kontrast dazu stand eine lange Besprechungstheke.

  • Aussteller: Camira Fabrics, Mirfield, UK
  • Messe: Busworld, Brüssel/Belgien
  • Design: Raumkontor Innenarchitektur, Düsseldorf 
  • Standgröße: 50m2

Carousel of Light

„Joy, Life & Light“ war das Konzept ­eines Messestands auf der Euroluce mit insgesamt 390 Quadratmetern und umfasste drei große interaktive Lichtinstallationen mit spielerischem Charakter, die das Wesen des böhmischen Traditions­unternehmens mit unkonventionellem Design widerspiegelten. Die Hauptinstallation, „Carousel of Light“, war inspiriert von einem sich drehenden Karussell mit Pferden und bunten Lichtern, montiert auf einer Drehplattform mit Tracking-System, das mit einem Soundsystem kombiniert war. Die Freude am Licht wurde durch eine sensorische Designreise erzeugt; durch den Perlenvorhang traten bunte Lichter, die führten und sich veränderten, während man durch den Stand wanderte, auf stilisierten Pferden ritt und eine neue Lichterfahrung gemeinsam erlebte. Emotionale Beleuchtung mit unglaublicher Freude.

  • Aussteller: Preciosa Lighting, Prag
  • Messe: Euroluce, Salone Internazionale del Mobile 2019, Mailand 
  • Design: Vasco & Klug, Preciosa (Produkte und Stand) 
  • Standbau: Exposale a.s., Šestajovice
  • Standgröße: Zentrum von 390 m2
  • iF Design Award 2020 in Gold

Foto: Preciosa Lighting

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